Geldmachen um jeden Preis

Satire von Peter Biro

Wie allgemein bekannt, geht wahre Kunst grundsätzlich nur mit Entbehrungen des Künstlers einher. Sie kann nur gedeihen, wenn deren Erzeuger friert, darbt und sich sonst aller irdischen Freuden enthält, die ihn von seinem kreativen Schaffen abhalten könnten. Ich unterlag Zeit meines Lebens diesen Bedingungen, was sicherlich zu meiner künstlerischen Reifung entscheidend beigetragen hat. Drum kann ich in Ermangelung jedweder Gelegenheit irgendwie verwöhnt zu werden, mich weiter der Ausübung meiner Künste widmen, als da wären das Anfertigen von Reiskornschnitzereien, das Bemalen der Rückseiten von Wandspiegeln und allem voran das Verfassen von erbaulichen Texten aus der Haushaltsgeräteindustrie – wie jüngst die Gebrauchsanweisung für einen mit Solarzellen betriebenen Damenrasierer.
Ich wiederhole: Ruhm, Erfolg und vor allem materieller Reichtum dürfen auf keinen Fall den Strom der Inspirationen stören und den kreativen «Output» beeinträchtigen. Unerwünschte positive Kritiken, lobende Würdigungen zu Lebzeiten – von der Überhäufung mit Ehrungen und Preisgeldern ganz zu schweigen – führen unweigerlich zur Verflachung des künstlerischen Anspruchs an sich selber und können ein schmerzlich empfundenes Ausbleiben von kreativen Ideen verursachen. Das wiederum dürfte langanhaltende Schaffenspausen nach sich ziehen oder sogar die definitive Einstellung der künstlerischen Tätigkeit. Deshalb gilt, dass erst posthum erfahrene Anerkennung und materielle Belohnung wirklich eine Daseinsberechtigung haben. Deren wichtigstes Anliegen hinwiederum ist die nachträgliche Errichtung eines imposanten Mausoleums über das unscheinbare Armengrab des an Verkennung und Einsamkeit verstorbenen Meisters und Hungerkünstlers. Leider kommen solche wertschätzenden postmortem-Aufmerksamkeiten in der Enge der Gruft nicht so recht zum Tragen. Deshalb ist die Versuchung für manche Schreiberlinge groß, ihre Texte nur gegen ein angemessenes Honorar abzugeben. Wer möchte ihnen das verdenken?
Aufgrund sich häufender Rechnungseingänge musste ich mein bisheriges Festhalten an der selbstverordneten Genügsamkeit etwas lockern, gerade so viel, dass ich noch kreativ bleiben kann, ohne dabei verhungern zu müssen. Zudem war der Markt für dekorative Statuetten aus Reiskörnern eingebrochen und in meinem ganzen Bekanntenkreis waren die Rückseiten der Wandspiegel alle bereits bemalt worden. Leider hatte ich auch schon zuvor das Honorar vom Handbuch für die fortgeschrittene Damenrasur ausgegeben, und ein versprochener Anschlussauftrag im Zusammenhang mit einem Gerät zum Ausdrücken von Mitessern ließ auf sich warten. Meine finanzielle Situation war mit einem Wort: katastrophal! Das aus diesem dringendem Grund langsam einsetzende «Brainstorming» ergab eine Reihe von Geldbeschaffungs-Plänen, die ich hier in der Reihenfolge ihrer versuchten Umsetzung aufliste:

 

Geldmachen-Plan 1

Ich wendete meinen letzten Fünf-Euroschein hin und her, bis mir plötzlich eine bahnbrechende Eingebung kam: Nämlich die Methode «aus eins mach zwei», und ich beschloss den Schein zu kopieren. Seltsamerweise verweigerte der Farbkopierer in der Postfiliale die Durchführung des Auftrags. Aber ich ließ mich nicht entmutigen, ging nachhause, scannte den Fünfer und druckte das Bild auf dem Farbdrucker aus. Es war verblüffend ähnlich, nur die ganz feinen Linien waren nicht sichtbar, aber wer guckt schon auf unerhebliche Details? Ich scannte und druckte auch die andere Seite mit einem ähnlich zufriedenstellenden Ergebnis. Jetzt mussten nur noch die beiden Bilder, korrekt ausgerichtet auf die beiden Seiten desselben Blattes gedruckt werden. Das Problem war, die Ränder der beiden Bilder exakt miteinander zur Deckung zu bringen. Deshalb ging der ganze Nachmittag, ein Stapel Druckerpapier und jede Menge Druckertinte auf die wiederholten Versuche drauf, bis ich am Abend endlich den ersten gelungenen, beidseitig korrekt bedruckten neuen Fünf-Euroschein in der Hand hielt. Mit dem Zeitfaktor eingerechnet wurde meine kreative Arbeit mit einem Reingewinn von 0.85 Euro pro Arbeitsstunde belohnt. Während ich die unter großen Anstrengungen erworbene Kreation betrachtete, fiel mir ein, dass ich in etwa mit dem gleichen Aufwand auch einen Zehn-Euroschein hätte kopieren können. Blitzschnell errechnete ich überschlägig, dass damit mein theoretischer Stundenlohn schlagartig auf 1.70 Euro hochschnellen würde. Gegen Mitternacht hielt ich stolz und zufrieden meinen neuen Zehner gegen das Licht. Mit nunmehr 15 Euro konnte ich bereits was anfangen, und während ich diesen erfreulichen Gedanken nachhing, verfiel ich auf die unwahrscheinliche Idee, es mit einer weiteren Verdopplung zu versuchen. Die darauffolgende Nacht ging in fiebriger Unternehmungslust vorbei, und ich erzeugte nacheinander einen Zwanziger, dann einen Fünfziger, und bei Sonnenaufgang hielt ich meinen ersten gelungenen Hunderter in den vor Aufregung zitternden Händen. Am Mittag erdreistete ich mich sogar, eine Zweihunderter-Note zu kreieren. Da war ich bereits ein wohlhabender Mann und stolzer Hersteller von je einer Banknote aller Eurowerte von 5 bis 200 im Gesamtwert von 385 Euro. Stolz zeigte ich meinem fetten Vetter Ferdinand das Ergebnis meiner Handwerkskunst mit der Absicht, ihn zum Mitmachen bei einer neuen Serie zu animieren. Zu meiner Überraschung war er von meiner Produktion gar nicht begeistert. Wie von Panik ergriffen warf er meine Arbeit ins lodernde Kaminfeuer und schrie mich fragend an, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte. Er sagte, das Fälschen von Geldscheinen sei ein schlimmes Verbrechen und würde mit schwerem Kerker geahndet. Ich erwiderte zunächst, dass ich die Geldscheine keinesfalls gefälscht, sondern lediglich kopiert hätte. Aber dann zeigte er mir einen bislang von mir übersehenen, interessanten Hinweis auf der Banknote und damit hat sich mein Geldmachen-Plan Nummer 1 erübrigt.

 

Geldmachen-Plan 2

Offenbar taugt physische Arbeit zur Geldbeschaffung nicht wirklich. So kam ich auf die Idee, es mit einer Dienstleistung zu probieren. Wie ich aus vertrauenswürdiger Quelle erfahren hatte, stellte die gewerbsmäßige Prostitution eine sichere und konjunkturunabhängige Einnahmequelle dar. Ich begann – ohne meine Frau in meine Pläne einzuweihen – mich kundig zu machen, ob und wie ich mit diesem Beruf aus Armut und Verzweiflung herauskommen könnte. Zuerst recherchierte ich im Internet über die technischen und wirtschaftlichen Details der käuflichen Liebe und kam zur Erkenntnis, dass das keine schlechte Sache wäre: das bisschen Rumflanieren auf der Ausfallstraße nach Buxtehude, die noch einzustudierenden lasziven Bewegungen und auch die kurzfristige Erbringung der eigentlichen, sexuellen Dienstleistung erschienen mir selbst ohne gründliche Ausbildung machbar. An Wochenenden versprachen die Einnahmen sogar glänzend zu werden. Aber bei der Vertiefung meiner Recherchen stellte sich zu meiner Überraschung heraus, dass dabei meine Unschuld verloren gehen könnte. Das wiederum war mir ein zu hoher Preis. Daraufhin musste ich einsehen, dass trotz vorhandenem Talent, die Prostitution für mich doch keine Option war.

 

Geldmachen-Plan 3

Meiner dritten Geschäftsidee war ein noch früheres Ende beschieden als den zwei zuvor genannten. Ich entwickelte nach ausgiebigen Berechnungen den Plan, am Badestrand meine Dienste als Rückeneinschmierer anzubieten. Hierbei würde ich einen Rundumservice leisten, der nicht nur das eigentliche Einschmieren von unerreichbaren Rückenpartien mit Sonnencreme beinhaltete. Darüber hinaus würde ich auch eine große Auswahl von Produkten mit abgestuft unterschiedlichen Schutzfaktoren sowie von Duft- und Fettigkeitsgraden bereithalten. Diese könnte ich im Rahmen einer ambulanten Hauttyp-Analyse und Beratung verkaufen. Meine Frau legte mir allerdings eine theoretische Erfolgsrechnung vor, die darauf hinauslief, dass dieses auf den ersten Blick sehr attraktive Geschäftsmodell nicht funktionieren kann. Sie kam mit Zahlen, die ich nicht widerlegen konnte. Die sonnige Saison auf Sylt sei erstens zu kurz, und zweitens 74,8% der Sonnenbadenden kämen mit ihrem Partner, so dass sich diese kostenlos gegenseitig einschmieren würden. Von den übrigen 25,2% haben ein Drittel einen unempfindlichen Hauttyp und halten sich überwiegend im Schatten auf. Der kleine, verbleibende Rest bestünde überwiegend aus jungen, attraktiven Damen, an die ich laut Weisung meiner Frau keine Hand anlegen durfte. Damit war es frühzeitig Schluss für meinen Geldmachen-Plan Nr. 3.

 

Geldmachen-Plan 4

Und nun komme ich zur letzten und hoffentlich erfolgreichen Geldmachen-Idee, die sich im Moment in Planung befindet. Ich bin drauf und dran, ein völlig neuartiges, noch nie dagewesenes Institut für Haustierverschönerung aufzuziehen und tierkosmetische Maßnahmen anbieten wie Schnauzenbegradigung, Schwanzverjüngung, Krallenlackierung, Barthaartrimmung und Analtätowierung bei Haustieren aller Arten. Auch die Neueinfärbung von Papageiengefieder werden wir ins Sortiment aufnehmen, ebenso die Botoxbehandlung von Krähenfüßen bei Katzen, Goldhamstern und Schildkröten. Wir erhoffen uns mit unserem «Tutti Frutti Beauty Downtown Animal Salon GmbH» endlich die Lösung unserer Geldprobleme. Vormittags will ich mich im Hinterzimmer des Ladenlokals eingerichteten Künstleratelier der Reiskornschnitzerei widmen, während meine Frau die ersten Kunden bedient. Am Nachmittag würde ich dazu stoßen und insbesondere mein Talent fürs künstlerische Arbeiten unter dem Vergrößerungsglas einbringen. Dann würde ich den kleinen und bekanntlich besonders eitlen Klienten wie Meerschweinchen oder Chihuahuas zu einem ästhetischen Rosetten-Tattoo verhelfen.

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