Das geheime Leben

Das geheime Leben in der Stadt

Rezension von Alena Vogel

Hanna Bjørgaas: „Das geheime Leben in der Stadt – Nachrichten aus der urbanen Wildnis“, Stroux edition, München 2023; aus dem Norwegischen von Sabine Richter; ISBN: 978-3-948065-27-0, 304 Seiten, 26 Euro (D)

 

„In einem Teelöffel voll gesunder Erde gibt es mehr Mikroben als Menschen auf unserem Planeten.“

 

Biologie ist für Hanna Bjørgaas nicht nur eine Berufung, sondern eine Obsession. Sie hat Biodiversität und Evolution in Oslo studiert und war u.a. als Fremdenführerin in der Artkis und Antarktis tätig. Irgendwann wurde ihr klar, dass sie als Stadtmensch mehr über die Flechten der Antarktis wusste als über ihren eigenen Hinterhof. Das musste sich ändern. Also erforschte Bjørgaas während der Pandemie ein Jahr lang die Flora und Fauna in ihrer Heimatstadt Oslo, ging mit Profis der jeweiligen Fachgebiete auf Erkundungstour und  beobachtete Krähen, Möwen, Mikroben, Fledermäuse, und vieles mehr. Jedem Monat hat sie ein Kapitel gewidmet.

Auf ihrer Entdeckungsreise durch die Stadt nimmt sie sich vor allem die Tiere vor, die man gerade in der Stadt gerne als lästig oder gar unheimlich empfindet, die man aber nach der Lektüre definitiv mit anderen Augen sieht: z.B. Möwen, Krähen, Ameisen und  Fledermäuse. Bjørgaas stellt und beantwortet dabei Fragen wie: Was unterscheidet eigentlich die Tierwelt in der Stadt von der auf dem Land? Wie gesund ist der Stadtboden und wie schnell regeneriert er sich? Wie lernfähig und sozial sind Krähen? Wie hat sich der Gesang der Vögel an den Lärmpegel der Stadt angepasst? Wie finden Ameisen zuverlässig Nahrungsquellen in unserer Küche? Wie überwintern Fledermäuse und wie klein kann das kleinste Säugetier der Welt minimal sein? Können Flechten im Weltall überleben? Wie schnell verrotten Unterhosen? Warum sind Spatzen eigentlich so zutraulich?

Bjørgaas garniert ihre persönlichen Anekdoten und Betrachtungen mit den neuesten interessanten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die sie wiederum mit zahlreichen Quellen belegt. Der Tagebuchstil macht den Inhalt sehr zugänglich und schafft einen angenehmen Lesefluss.

 

„Dem Gewicht nach sind weniger als ein halbes Prozent aller auf unserem Planeten lebenden Tiere wilde Säugetiere und Vögel. Alle Haustiere in unserer Welt wiegen zusammen genommen zehn Mal so viel.“

 

Auch Themen wie die Voreingenommenheit der Wissenschaft werden angesprochen. So ist man z.B. lange Zeit davon ausgegangen, dass nur Primaten eine gewisse Intelligenzstufe erreichen und Werkzeuge benutzen können, oder aber es wurden nur männliche Singvögel untersucht und das Verhalten von Weibchen als nicht der Norm entsprechend betrachtet.

Gerade in Zeiten wie diesen ist ein bodenständiges Buch wie dieses, das den Blick auf die Dinge lenkt, die uns im Alltag ständig umgeben und die wir dennoch gerne ignorieren, eine willkommene Abwechslung. Vor allem Stadtmenschen dürften nach dem Lesen ihre Umgebung in einem ganz anderen Licht sehen und Lust bekommen, sich selbst mit Lupe und Fernglas auf den Weg zu machen. Man muss nicht in die Ferne schweifen, um völlig neue, spannende Welten zu entdecken.

Ein tolles Buch, nicht nur für Natur- und Wissenschaftsfans!

„Das geheime Leben in der Stadt“ ist bereits auch auf Englisch erschienen und wurde u.a. von der Washington Post hoch gelobt.

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