Alle Menschen haben Rechte
Rezension von Claudia Grothus
Yayo Herrero Luis Demano, „Alle Menschen haben Rechte“, Leykam-Verlag, Graz-Wien-Berlin 2024, ISBN 978-3-7011-8309-8, Hardcover, € 22,00
Was für eine tolle Idee! Alle Menschenrechte kurz erklärt und anschaulich zusammengefasst.
Wertig
Beim Auspacken des großformatigen, farbenfrohen Buches freue ich mich. Hier erscheint alles wertig und mit Sorgfalt gemacht. Bei dem Format denke ich sofort an ein Bilderbuch. Das ist auch nicht falsch, denn eindrückliche bunte Illustrationen sehe ich beim Durchblättern auf jeder Seite. Aber ist das ein Kinderbuch? Nirgends finde ich eine Altersangabe. Die Ansprache scheint sich an Kinder zu richten, auch das Glossar im Anhang, das Begriffe wie Faschismus und Apartheit erklärt.
Anspruchsvoll
Die langen Sätze sind aber eindeutig nur für ein höheres Bildungsniveau und Kinder ab etwa der 8. bis 10. Klasse geeignet. Da muss man schon genau hinschauen, für welche Menschen man dieses Buch kaufen, empfehlen, verschenken oder zur Verfügung stellen möchte. Der sprachliche Anspruch ist hoch, die Bebilderung mehr Illustration als Erklärungsinhalt.
Ich fange an zu lesen. Schon auf den ersten Seiten merke ich: Hier ist Konzentration gefragt. Dieses Buch zu verstehen, ist Arbeit. Was völlig in Ordnung ist. Ich persönlich würde es aber eher als (wirklich gutes) Unterrichtsmaterial sehen. Ebenso könnte „Alle Menschen haben Rechte“ in politisch aktiven Familien eine Bereicherung des Bücherregals sein und sicherlich von Eltern und Kindern immer mal wieder zu Hand genommen oder gemeinsam gelesen werden.
Selbstbewusst
Gebildete Kinder und politisch interessierte Eltern sind eine mutige Zielgruppe und damit ein Grund, warum ich dieses Buch klasse finde. Es muss nicht immer alles vorgekaut und simplifiziert in Social-Media-Blubberstil serviert werden, damit es überhaupt in den virtuell überladenen jungen Gehirnen ankommt. Kinder können immer noch denken, sich interessieren und Freude an ihrer Intelligenz haben. Sie können sich engagieren und benötigen dafür Wissensfutter, das auf schöne und bunte Weise präsentiert wird. Danke Leykam-Verlag, dass Ihr ein Buch für junge Menschen druckt, die Lust haben, ihren Intellekt zu nutzen.
Akribisch und liebevoll
Yayo Herrero hat sich für solche Leser:innen sehr erfolgreich die ungeheure Mühe gemacht, so viel wie möglich entscheidende Aspekte zum Thema Menschenrechte zu sammeln, aufzuarbeiten, kurzzufassen und auf den Punkt zu bringen. Ein Buch, das sowohl zum Lernen als auch als Nachschlagewerk und Inspiration dienen kann.
Die Illustrationen von Luis Demano sind modern, frisch und eingängig. Sie helfen dem Gehirn, die lesend erfassten Inhalte mit Bildern zu verknüpfen und abzuspeichern.
Barrieren
Ich muss aber doch einen Kritikpunkt ansprechen: „Alle Menschen haben Rechte“ ist alles andere als barrierefrei. Und damit schließt es eine Gruppe, für die es sich inhaltlich starkmacht, aus der Leserschaft aus: Menschen mit kognitiven oder körperlichen Behinderungen, die zum Beispiel zum Lesen starke Kontraste von Schrift und Hintergrund benötigen.
Auf dem durchgehend farbigen Papier ist die schwarze Schrift für Sehbehinderte nicht gut zu entziffern. Das aufwändige Layout, bei dem auf jeder Seite eine andere Einteilung von Schriftblöcken und Illustrationen abgebildet ist, macht es kognitiv eingeschränkten Menschen schwer, den Überblick zu behalten und sich zu konzentrieren.
Leser:innen mit weniger hohem sprachlichen Bildungsniveau dürften Probleme mit den langen Sätzen und zahlreichen Fremdwörtern haben. Das gilt insbesondere für Menschen, welche die deutsche Sprache noch nicht perfekt beherrschen.
Orientierung
Interessant finde ich die Orientierung anhand von Farbblöcken. Die „Generationen Internet“ schauen nicht auf Seitenzahlen und in diesem Buch gibt es auch keine. Ein bisschen aus der Konsequenz fallen dabei die fett gedruckten Zahlen im Inhaltsverzeichnis, die – wenn man nachzählt – tatsächlich Seitenzahlen sind. Fragt sich, wozu?
Die vier Hauptthemen sind durch die Farben des Papiers voneinander unterscheidbar. Schade ist, dass die Farben nicht im super übersichtlichen Inhaltsverzeichnis wiedergegeben sind.
Alles in allem ist ziemlich viel Geblätter erforderlich, wenn man etwas Bestimmtes sucht oder wiederfinden möchte.
Fazit
Ein wertvolles und wichtiges Buch für kluge, gebildete junge (und auch ältere) Köpfe, die sich ein umfassendes Bild von Menschenrechten verschaffen möchten. Es kann ansprechendes Unterrichtsmaterial und höchst interessante Familienliteratur sein.
Man muss nur erfassen, auf welchem Niveau „Alle Menschen haben Rechte“ operiert.