Mara Laue: Von der Idee zum fertigen Text VSS Verlag

Von der Kunst des Prosaschreibens – Dialoge – eine Kunst für sich

Kluge Hinweise von Mara Laue

3. Männer reden anders. Frauen auch.

Unabhängig von allen Klischees ist es eine wissenschaftlich belegte Tatsache, dass Männer und Frauen unterschiedlich kommunizieren. (Ob das angeboren oder anerzogen ist, ist für das Handwerk des Dialogschreibens grundsätzlich unwichtig.) Dass Männer wortkarger sind als Frauen, ist ein Fakt, kein Klischee, obwohl es natürlich Ausnahmen gibt. Diese Ausnahmen liegen z. B. im Beruf des Mannes begründet. Psychologen, Therapeuten, Psychiater, Lehrer, Schriftsteller und teilweise auch Ärzte können genauso wortreich und intensiv kommunizieren wie Frauen. Ein Mann, der als einziger Mann inmitten einer ansonsten nur aus Frauen bestehenden Großfamilie aufgewachsen ist (Mutter und mehrere Schwestern, evt. noch Großmutter und/oder Tante/n dazu), hat sich die weibliche Art zu sprechen zumindest teilweise unabsichtlich zu eigen gemacht. Aber von solchen Ausnahmen abgesehen, haben Männer und Frauen eigene Kommunikationsregeln. Diese müssen wir bei unseren Dialogen unbedingt berücksichtigen. Folgendes Beispiel soll das verdeutlichen.

Männergespräch

Mann 1: „Wie geht’s?“
Mann 2: „Muss. Und selbst?“
M1: „Muss.“ (Pause.) „Urlaub schon für dies Jahr geplant?“
M2: „Hm. Kreuzfahrt ins Mittelmeer.“
M1: „Hm. Hab ich auch schon gemacht mit meiner Frau. War nicht übel.“
M2: „Und? Schon Pläne für dies Jahr?“
M1: „Noch nicht.“
Ende des Gesprächs (bzw. Pause).

FRAUENGESPRÄCH

Frau 1: „Hallo, Frau 2! Schön dich zu sehen!“ (Beide Frauen umarmen einander.) „Wie geht es dir denn?“
Frau 2: „Danke, gut! Und wie geht es dir? Auch alles okay?“
F1: „Ja, bestens. Bis auf die Sache mit meinem Jüngsten. Der liegt krank im Bett. Hat aus der Schule eine heftige Erkältung mitgebracht.“
F2: „Das tut mir aber leid. Wünsch ihm mal gute Besserung von mir. Du, ich habe gestern einen tollen Mantel bei X & Y gekauft. Ein Traum!“ (Es folgt die Beschreibung des Mantels und evt. seiner Vorzüge und/oder des Tragekomforts.) „Den musst du dir bei deinem nächsten Besuch unbedingt ansehen!“
F1: „Darauf freue ich mich schon! Sag mal, wohin geht es denn bei euch dieses Jahr in den Urlaub?“
F2: „Du glaubst es nicht: Wir haben eine Kreuzfahrt ins Mittelmeer gebucht! Die Inseltour: Mallorca, Menorca, Teneriffa, Korsika und ein Abstecher nach Marseille ist auch mit drin!“
F1: „Hey, super! Die Tour haben wir auch mal gemacht. Das war SO toll! Die haben da auf Mallorca …“ (Es folgt eine detaillierte Aufzählung der Highlights jener Reise.) „Das werden wir bestimmt irgendwann wiederholen.“
F2: „Und wisst ihr schon, wohin es dieses Jahr geht?“
F1: „Wegen dem neuen Job(1) meines Mannes wird es nur ein kurzer Urlaub. Deshalb fahren wir nur für zwei Wochen an die Ostsee. Rügen. Ferienpension Z & O. Im Prospekt stand, dass …“ (Es folgt eine detaillierte Aufzählung der im Prospekt erwähnten Highlights. Dann ein Blick zur Uhr.) „Oh, schon so spät! Ich muss los! War schön, mal wieder zu plaudern. Tschüss, bis dann!“
F2: „Tschüss! Und Grüße an die Familie!“
Ende des Gesprächs.

(1) Grammatikalisch korrekt muss es heißen: „Wegen des neuen Jobs meines Mannes“. Aber in wörtlicher Rede dürfen die Figuren auch mal unkorrekt reden – wie im Alltag.

Egal, ob Mann oder Frau, wir alle haben schon einmal so ein Gespräch geführt oder es (beim jeweils anderen Geschlecht) mit angehört und uns dann entweder über die Wortkargheit der Männer oder die Redseligkeit der Frauen gewundert. Abgesehen davon, dass es sich bei den genannten Beispielen um banale Alltagsgespräche handelt, gilt dieses Prinzip auch und besonders in der Kommunikation zwischen den Geschlechtern.

FRAU-MANN-GESPRÄCH

Frau: „Wohin wollen wir denn dieses Jahr in den Urlaub fahren? Was meinst du?“
Mann: „Wohin möchtest du denn?“
F: „Meine Freundin war mit ihrem Mann neulich auf einer Mittelmeerkreuzfahrt und schwärmt in den höchsten Tönen davon. Was die da alles erlebt haben! Allein schon auf dem Schiff. Und erst auf den Landgängen. …“ (Es folgt ein detailliertes Resümee über den Reisebericht der Freundin.) „Wäre das nicht auch was für uns?“
M: „Hm, hm. Klingt gut.“
F: (Unsicher wegen der von ihrem Mann für sie nicht spürbaren Begeisterung) „Gefällt dir die Idee nicht?“
M: „Doch. Ich sag doch: Klingt gut.“
F: „Ja, was heißt das nun: ja oder was?“
M: „Ja. Hab ich doch gesagt.“
F: „Nein, hast du nicht gesagt. Also weißt du, etwas mehr Beteiligung an unserer Urlaubsplanung habe ich schon erwartet. Wir fahren schließlich gemeinsam und nicht getrennt.“
M: „Ja, klar. Also Mittelmeerkreuzfahrt. Ist okay.“
F: „Das klingt nicht begeistert. Willst du woanders hin?“
M: (Tonfall leicht genervt.) „Nein, Mittelmeer und Kreuzfahrt ist okay. Machen wir.“

Schlussvariante 1: Ende des Gesprächs mit spürbar eisigem Schweigen von der Frau.
Schlussvariante 2: Ein Streit mit Grundsatzdiskussion, dass Er ja „nie“ mal richtig redet und „allem immer“ so gleichgültig gegenübersteht.

(Ich wette, beide Schlussvarianten kommen einem aus eigener Erfahrung bekannt vor. )

Wir sehen anhand nicht nur dieser Beispiele, sondern sicher auch aus unserer persönlichen Erfahrung, dass es im Kommunikationsverhalten von Männern und Frauen gravierende Unterschiede gibt. Diesen Unterschieden müssen wir in unseren Dialogen Rechnung tragen. Und nicht nur dort: Wenn wir die Ich-Perspektive verwenden, beeinflusst das Geschlecht unserer Ich-Figur die Ausdrucksweise im gesamten Roman sowie die Prioritäten in den Betrachtungen, die Präferenz der Wortwahl und etliche Dinge mehr. (Deshalb sollte man, wenn man die Ich-Perspektive wählt, am Anfang als Ich-Figur eine Person des eigenen Geschlechts wählen, sonst kann die Authentizität auf der Strecke bleiben.)

Die Unterschiede kommen besonders auch für Komplimente zum Tragen. Lobt ein Mann: „Nicht übel!“ oder: „Ganz ordentlich!“, meint er damit: „Klasse! Gut gemacht!“ Eine Frau ist da direkter (und wortreicher): „Hey, das hast du aber prima hinbekommen! Mensch, das ist ja klasse geworden! Das sieht richtig toll aus.“
Gerade aus dieser unterschiedlichen Art Komplimente zu machen, ergibt sich ein hervorragendes Konfliktpotenzial, wenn Mann und Frau miteinander reden. „Sie“ macht etwas mit großer Anstrengung bestmöglich und liefert ein wirklich gutes, vielleicht sogar hervorragendes Ergebnis, und „Er“ reagiert darauf mit einem in ihren Augen belanglosen, nichtssagenden, vielleicht sogar als abwertend empfundenen „Nicht übel!“. Viele Frauen reagieren darauf enttäuscht oder sogar beleidigt, viele auch mit Selbstzweifeln, weil sie das wortkarge Lob als Kritik empfinden. Je nach dem Verhältnis, das Frau und Mann zueinander haben, entsteht daraus unter Umständen sogar ein richtig schöner Streit. (Dieser wiederum kann fatale Folgen für die beiden Beteiligten oder einen von ihnen haben.)
Auch mit Begründungen (wofür auch immer) gehen Männer grundsätzlich (!) eher sparsam um. Sei es, dass sie einen Sachverhalt begründen oder ein persönliches Verhalten rechtfertigen (in dem Fall sind sie oft sogar besonders wortkarg) – sie erklären nur das Nötigste.

Mann: „Mir war klar, dass du den Job in Jamaika annehmen würdest.“
Frau: „Wieso?“
Mann: „Weil du noch nie einer Herausforderung widerstehen konntest.“

Ende der Begründung.

*

Frau: „Mir war klar, dass du den Job in Jamaika annehmen würdest.“
Mann: „Wieso?“
Frau: „Weil du noch nie einer Herausforderung widerstehen konntest. Du musst dir immer selbst beweisen, dass du alles schaffen kannst. Seit dein Vater dich damals vor der ganzen Familie als inkompetent und leistungsschwach abgekanzelt hat, lässt du keine Gelegenheit aus, dir und damit indirekt ihm zu beweisen, wie unrecht er hatte. Darum musstest du den Jamaika-Job um jeden Preis annehmen. Aber weißt du, MIR musst du nichts beweisen. Und deinem Vater erst recht nicht.“

(Eine solche Begründung würde kaum ein Mann von sich geben, es sei denn, er täte das als Psychologe/Therapeut in einem Beratungs- bzw. Therapiegespräch.)

*

Frau: „Warum hast du das getan?“
Mann: „Ging nicht anders.“

Ende der (freiwillig abgegebenen) Begründung.

Variante:

Mann: „Es gibt Situationen, da muss ein Mann eben tun, was er tun muss.“

Ende der Begründung.

*

Mann: „Warum hast du das getan?“
Frau: „Ich hatte keine andere Wahl. Weil …“ (Hier folgt eine detaillierte Begründung.) „Und darum musste ich das tun. Glaub mir, wenn ich anders gekonnt hätte, hätte ich das niemals getan. Das musst du doch verstehen.“

Die Frau begründet die Tat nicht nur in allen Einzelheiten, sondern die Begründungen schließen mit der nochmaligen Versicherung der Ausweglosigkeit, die zu der Handlung geführt hat und der Bitte um Verständnis. Letzteres erhofft sich ein Mann auch, aber er bringt das nicht (zwangsläufig) zum Ausdruck, sondern setzt voraus, dass das in seinem „Ging nicht anders“ bereits enthalten ist.

Grundsätzlich gilt: Wo ein Mann es bei einer knappen Begründung belässt, hat die Frau das Bedürfnis, diesen Grund noch genauer zu erklären. Ein Mann, der kein Psychiater, Therapeut, Psychologe, Psychoanalytiker ist (bzw. einen anderen per se kommunikativen Beruf hat), würde eine so ausführliche Erklärung nicht liefern oder dies nur in Ausnahmefällen tun, z. B. wenn sein fortgesetztes „Schweigen“ ihm noch größere Probleme oder sogar Verluste brächte. Manche Männer schweigen aber sogar dann noch (was wiederum der Ausgang für herrliche Komplikationen und Konflikte in unserer Geschichte sein kann), weil vielen die „Worte fehlen“, denn sie haben eine ausführliche(re) Kommunikation nie gelernt.

Ganz besonders wichtig sind die Geschlechterunterschiede, wenn es darum geht, Liebe auszudrücken. Wo eine Frau keine Probleme hat, ihrem Liebsten direkt zu sagen: „Ich liebe dich!“, kommt so ein Satz von Männern eher selten. Oder er kommt einmal, und damit, so meinen sie, sei es genug und die Frau wisse dann bis in alle Ewigkeit, dass die Liebe des Mannes ein feststehender Fakt ist. Darum sehen sie keine Notwendigkeit, diesen Fakt immer wieder zu thematisieren. Stattdessen drücken sie ihre Liebe anders aus: durch (teure) Geschenke, durch Arbeiten bis zum Umfallen, um der geliebten Frau „etwas bieten“ zu können, durch das Putzen oder Reparieren ihres Autos und sonstiger handwerklicher Tätigkeiten, dem Auftischen eines besonders leckeren Frühstücks am Sonntagmorgen, Rosenblättern im Bett (dies tun allerdings nur Romantiker oder frisch Verliebte) sowie andere Dinge.
Das Problem dieser nonverbalen Liebesbezeugungen ist, dass viele Frauen sie nicht als solche erkennen und sich von ihrem Partner ohne die wenigstens ab und zu erfolgende verbale Versicherung seiner Liebe nicht (genug) geliebt fühlen. Auch aus dieser Konstellation ergibt sich ein wunderbares Konfliktpotenzial, besonders, aber nicht ausschließlich, bei Liebesromanen.

Als ergänzende Lektüre für diesen Bereich empfehle ich das Buch von John Gray „Männer sind anders. Frauen auch.“ Darin erläutert der Autor nicht nur die verbalen, sondern auch die nonverbalen Kommunikationsunterschiede zwischen den Geschlechtern.

 

In der nächsten Folge:
Dialekte und Fremdsprachigkeit

In weiteren Folgen:
Nonverbale Dialoge
Innerer Monolog, erlebte und indirekte Rede

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