Von der Kunst des Prosaschreibens – 7. Die innere Logik einer Geschichte – ein wichtiges Instrument
Tipps von Mara Laue
Was hat Logik mit der Kunst zu tun, eine gute Story, einen guten Roman zu schreiben? Ist doch alles nur Fiktion, frei erfunden. Kann man da nicht schreiben, was und wie man will? Grundsätzlich „kann“ man das tun, denn besonders bei Humoresken, Satiren und anderen bewusst in Lächerliche gezogenen und überzeichneten Storys ist beabsichtigte Unlogik ein probates Mittel, um das Lesepublikum zum Lachen zu bringen. Außerhalb dieser Genres ist die logische und auch psychologische Stimmigkeit ein Muss.
Der Grund: Belletristik = Unterhaltungsliteratur will die Lesenden aus dem Alltag entführen, sie unterhalten, sie in eine „andere Welt“ versetzen, auch wenn diese mit unserer und der Zeit, in der wir leben, identisch ist. Wenn wir Dinge aus dieser Realität beschreiben, müssen sie den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, weil jeder Mensch weiß, dass besagte Dinge so und nicht anders sein können. Unterläuft uns ein (psycho)logischer Fehler, über den die Lesenden förmlich stolpern, reißt sie das aus der Geschichte heraus. Ist der logische Bruch gravierend (siehe unten genannten Beispiele), sind die Lesenden sauer. Passiert das mehrmals im Text, lesen sie ihn u. U. nicht zu Ende und fühlen sich obendrein bemüßigt, ihrem Unmut per negativer Rezension Luft zu machen. Unnötig zu erwähnen, dass sie von solchen Autorinnen/Autoren kein zweites Buch kaufen.
Um eine Handlung, eine Geschichte glaubhaft und überzeugend darzustellen, ist ein von A bis Z logischer Aufbau und Handlungsablauf ein Muss. Denn das Gefühl, dass die Fiktion der Geschichte, des Romans die Realität widerspiegelt, ist ein wichtiges Instrument der Spannungserzeugung in Form des psychologischen „Gruseleffekts“, dass sich das fiktive Geschehen tatsächlich „nebenan“ hätte ereignen oder sogar uns selbst hätte passieren können.
Jede Geschichte muss deshalb in sich folgerichtig und schlüssig sein. Dazu gehört zwingend, dass die Ursache der Wirkung vorangeht. Das bedeutet nicht, dass die Ursache gleich zu Anfang der Geschichte genannt werden muss; zum Beispiel bei Ermittlungskrimis würde das die Spannung aus dem ganzen Roman nehmen. Spätestens am Ende muss sie jedoch offenbart werden. Stimmt die innere Logik der Story oder die ihrer einzelnen Szenen nicht, wirkt die ganze Geschichte unglaubwürdig, und die Lesenden werden sie deswegen ablehnen. Ein Mord ist zum Beispiel immer die Wirkung einer Ursache und wird nur verständlich, wenn wir den Lesenden glaubhaft das Motiv = die Ursache vermitteln können.
Für die Logik der Gesamthandlung ist bei längeren Geschichten und Romanen daher das Erstellen eines schriftlichen Plots oder Handlungsexposés zu empfehlen, weil sich die Logikfehler in der komprimierten Form der Handlung am ehesten entdecken lassen. Jedoch steht man als Autorin/Autor der eigenen Geschichte meistens zu nahe, sodass einem manche Fehler selbst beim zehnten Durchlesen immer noch entgehen. Deshalb empfiehlt sich, jemand anderen den Plot/das Exposé auf die sogenannten „logischen Brüche“ prüfen zu lassen, um Kuriositäten wie die nachfolgenden zu vermeiden, die aus veröffentlichten Büchern stammen.
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- Die Hauptperson befindet sich um neun Uhr morgens in der Firma in München und ist zum Mittagessen um dreizehn Uhr bei einem Meeting in Duisburg. Unmöglich, da man selbst mit dem schnellsten Wagen, dem schnellsten Zug und dem schnellsten Flugzeug (der Duisburg nächstgelegene Flughafen ist Düsseldorf) nicht in vier Stunden diese ungefähr 650 Kilometer bewältigen kann.
- Ein Mensch, der gerade einen Steckschuss in den Oberarm erhalten hat, macht für die nächsten mindestens vier Wochen mit eben diesem Arm keinen Klimmzug auf eine Mauer hinauf.
- Ein Mörder will den Selbstmord seines Mordopfers vortäuschen und platziert in dessen Wohnzimmer einen gefälschten Abschiedsbrief. Danach zündet er die Wohnung an, um seine eigenen Spuren zu beseitigen – und der falsche Abschiedsbrief wäre fröhlich mit verbrannt, wenn nicht zufällig ein Nachbar rechtzeitig die Feuerwehr gerufen hätte. Da dieser Zufall vom Täter nicht vorhersehbar war, er aber wollte, dass der gefälschte Abschiedsbrief von der Polizei gefunden wird, hätte er folglich niemals die Wohnung abgefackelt, um Spuren zu beseitigen oder den Brief an anderer Stelle deponiert.
Ebenso wichtig sind auch Kleinigkeiten, die stimmen müssen und die selbst bei erfahrenen Autorinnen/Autoren schon mal im Eifer des Schreibens danebengehen können. Hier ein paar reale Beispiele aus diversen Büchern.
Am Anfang der Geschichte hat die Heldin blaue Augen, mehrere Kapitel später sind sie plötzlich grün. In der einen Nacht ist Vollmond und nur eine Woche später bereits Neumond – sorry, das braucht immer noch vierzehn bis fünfzehn Tage. Ein Mann trägt innerhalb derselben Szene unterschiedliche Kleidung, ohne die Gelegenheit gehabt zu haben, diese zu wechseln.
Die Sprache einer Person wird in einem Krimi als mit einem deutlichen Dialekt behaftet beschrieben, der für die Gegend, in der das Verbrechen geschah, völlig untypisch und deshalb auffallend ist. Aber bei der Gegenüberstellung mit Sprechprobe erkennt das Opfer den Täter trotz dieses auffallenden Dialektes nicht. Höchst unwahrscheinlich!
Ein Mann fällt von einem Baum aus zehn Metern Höhe. Unten angekommen springt er auf und rennt davon, ohne auch nur einen Kratzer abbekommen zu haben. Bedauere, aber bei so einem Sturz ist ein Bruch beider Beine und eventuell noch anderer Knochen (je nach Aufprallwinkel und Gewicht der Person) die Regel! Wer zehn Meter abstürzt und nicht zufällig in tiefem Wasser landet, ist so verletzt, dass er garantiert nicht mehr gehen, geschweige denn aufspringen und rennen kann.
Doch logische Brüche lauern auch in der Plotstruktur selbst. Gerade Neulinge mit noch wenig oder gar keiner Erfahrung im Aufbau eines Plots neigen dazu, die Ereignisse aneinander zu reihen, wie sie es wünschen, damit die Handlung die von ihnen geplante Richtung nimmt. Das hat zur Folge, dass sie manchmal Ereignisse geschehen lassen, ohne zu berücksichtigen, dass diese sich aus der vorangegangenen Handlung zwingend ergeben und sich entsprechend entwickeln müssen.
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- Der Mann, der seine verschwundene Frau sucht, erfährt von einer Klinik, die wegen Kunstfehlern in Verruf geraten ist. Weder hat die Klinik bis zu diesem Zeitpunkt einen Bezug zu seiner vermissten Frau noch zu ihm selbst noch (bis zu diesem Punkt im Roman) zu irgendeinem anderen Handlungsstrang. Der Mann hat keinen plausiblen Grund, dieser Klinik irgendeine Beachtung zu schenken. Trotzdem notiert er sich die Adresse, fährt hin und sieht sich dort um – und findet dort seine Frau. Grundsätzlich eine prima Idee. Der Mann braucht aber einen logisch nachvollziehbaren Grund, um sich überhaupt die Adresse zu notieren und die Klinik später aufzusuchen = eine Spur, die ihn in Verbindung mit der Suche nach seiner Frau dorthin führt. Hier wurde die Klinik aber ohne einen Zusammenhang eingebaut, um den Mann später an den richtigen Ort zu bringen.
- Die Hauptperson findet in ihrem Hotelzimmer eine Kette mit einem merkwürdigen Anhänger. Statt sie an der Rezeption abzugeben („Diese Kette hat wohl der Vormieter oder das Zimmermädchen in meiner Suite verloren.“) oder zu ignorieren, forscht sie ohne jeden Grund im Internet nach dem Ursprung des Anhängers und kommt dadurch einem Geheimbund auf die Spur. Weil der Autor wollte, dass seine Hauptperson dem Geheimbund auf die Spur kommt, hat er sie die Kette finden lassen. Grundsätzlich eine gute Idee, wenn wir davon absehen, dass hier ein unzulässiger und mehr als unglaubhafter Zufall (Fund der Kette) bemüht wurde. Der Autor hat aber versäumt, der Hauptfigur einen logisch nachvollziehbaren Grund zu geben, um der Kette überhaupt eine Bedeutung beizumessen und erst recht, um sie nach dem Ursprung des Anhängers forschen zu lassen.
Wenn man Figuren einen Hinweis geben will, der für die folgende Handlung wichtig ist oder sogar deren Aktionen bestimmt, dann muss sich dieser Hinweis konsequent und „zwingend“ aus der Handlung ergeben, auch wenn sich die Relevanz oder das Zustandekommen des Hinweises erst am Ende des Romans, der Geschichte ergibt.
Dies gilt ganz besonders für Kriminalromane. Gerade Neulingen, aber beileibe nicht nur ihnen, passiert immer wieder, dass sie ihre Ermittelnden Schlüsse ziehen lassen, die jeder Grundlage entbehren. Meistens wird das im Roman/der Geschichte mit „Bauchgefühl“ oder „Ahnungen“ begründet, die die Ermittelnden aus heiterem Himmel überkommen. Oder diese entscheiden ohne jede Veranlassung, eine Analyse durchzuführen, weil: „Wer weiß, wozu es gut ist.“ Und genau diese Analyse ist später dafür „gut“, sie auf die richtige Spur zu bringen, die sie ohne diesen durch nichts gerechtfertigten Aufwand nie gefunden hätten. Oder sie lassen sie einem Detail Bedeutung beimessen, das zu dem entsprechenden Zeitpunkt in der Geschichte noch gar keine Relevanz für die Ermittlungen hat.
- Vor dem Haus, in dem ein Mord geschah, haben sich Schaulustige versammelt, und eine Streifenpolizistin dirigiert die vorbeifahrenden Autos um die Menge herum, während ihre Kolleginnen und Kollegen die Menge aufzulösen versuchen. Die Ermittlungsleiterin kommt aus dem Haus, als ein weiterer Wagen an der Menge vorbeifährt, an dem jedoch nichts Auffälliges ist, nicht einmal seine Farbe. Ohne jede Veranlassung (vom Willen der Autorin/des Autors abgesehen) merkt sich die Ermittlungsleiterin das Kennzeichen ausgerechnet dieses Wagens, überprüft es später – ebenfalls ohne jede Veranlassung – und kommt so dem Täter auf die Spur, der in dem Wagen am Tathaus vorbeifuhr.
- Eine Frau ist verschwunden, die Polizei sieht sich erst einmal bei ihr zu Hause um. Auf dem Dachboden finden sie in einer im hintersten Winkel stehenden verstaubten Kiste uralte vergilbte Fotoalben, die den Großeltern der Verschwundenen gehört haben. Obwohl diese Alben nicht die geringste Relevanz zum Verschwinden der Frau haben, nehmen die Ermittelnden sie mit, sehen sie auch noch komplett durch, scannen sie sogar ein, obwohl sie mit dem Fall gar nichts zu tun haben, und finden im letzten Album auf der letzten Seite ein Foto, das ihnen den entscheidenden Hinweis gibt.
- Der Geschäftspartner eines Mordopfers wird nach den letzten getätigten Geschäften gefragt. Weil er von ständig eingehenden Telefonaten unterbrochen wird und sich dadurch im Datum einer getätigten Transaktion vertut, was den Ermittelnden „spanisch“ vorkommt, werten sie den Irrtum als Beweis für seine Täterschaft („kein Alibi“) und nehmen ihn völlig realitätsfremd fest, weil der Autor einen falschen Verdächtigen brauchte, den er auf logischem Weg nicht zustande gebracht hat.
- Die Ermittlungen stagnieren, es gibt keine Spur zum Täter – aber genau dann meldet sich wie aus dem Hut gezaubert zuuuufällig ein Zeuge, der den entscheidenden Hinweis gibt und sich nur deshalb nicht schon früher gemeldet hat, weil er unmittelbar nach dem Verbrechen in Urlaub gefahren ist und erst nach seiner Rückkehr von der Tat erfahren hat.
Ja, das Entwerfen logischen Konsequenzen bereitet manchmal erhebliches Kopfzerbrechen. Manchmal erzwingt die Logik auch, dass wir einen Plot in einigen Teilen oder sogar komplett ändern müssen, weil der ursprünglich geplante Verlauf der Handlung mit logisch aufgebauten Ereignissen nicht zu erreichen wäre. Ärgerlich, aber nicht zu ändern, denn Zufälle und „grundlose“ Handlungen wie in den oben genannten Beispielen kaufen uns die Lesenden nicht ab. Zufälle sind tabu! Sie sind nicht nur gänzlich unspannend, sondern auch immer unglaubhaft. Und enttäuschte Lesende schreiben negative Kritiken oder sogar Verrisse.
Ein zweiter, nicht weniger wichtiger Aspekt, ist die Logik in den Handlungen der Personen. Jeder Mensch hat einen eigenen Charakter (auch fiktive Romanfiguren!), der gewisse Verhaltensmuster bedingt, wie die Psychologie bestätigen kann. Es ist für die Glaubwürdigkeit unserer Figuren zwingend erforderlich, dass sie nach der ihnen von uns gegebenen Persönlichkeit handeln. Andernfalls werden sie unglaubwürdig, und die Lesenden können sich nicht (mehr) mit ihnen identifizieren.
Zum Beispiel würde der schüchterne, stille Schüler niemals vor der ganzen Klasse dem Lehrer den „Stinkefinger“ zeigen oder ein soziopathischer Serienmörder plötzlich Mitleid mit seinem Opfer haben und es deshalb leben lassen (weil Soziopathen unfähig sind, Mitgefühl zu empfinden). Ein Pedant, der größten Wert auf sein Äußeres legt, geht ganz sicher niemals mit offenem Hemdkragen oder ungebügelter Hose auf die Straße, und ein verklemmter Mensch würde niemals das Wort „ficken“ in den Mund nehmen. Er hätte wahrscheinlich schon Schwierigkeiten, das Wort „Sex“ auszusprechen, ohne zu stottern oder knallrot zu werden. Tun unsere Figuren solche Dinge dennoch, werden sie dadurch unglaubwürdig und wird die Geschichte/der Roman als schlecht empfunden.
Deshalb sollten wir zumindest bei Romanen, Novellen und Erzählungen für jede Hauptperson einen Charakterbogen oder eine „Personalakte“ anlegen, in der wir ihre Eigenheiten genau definieren und festhalten, um uns während des Schreibens daran zu orientieren (mehr dazu in einer späteren Folge). Je länger der Text ist, desto mehr neigen auch Autorinnen/Autoren dazu, gewisse Aspekte zu vergessen, da man nicht alle Charaktereigenschaften oder das Aussehen alle paar Seiten wiederholt, um sie dadurch in Erinnerung zu behalten.
Jedoch gibt es bei der „Psycho-Logik“ das Problem, dass viele Lesende die Reaktionen der Figuren ausschließlich anhand ihrer eigenen Erfahrungen und Kenntnisse beurteilen. Was sie sich mangels ebendieser Erfahrung und ausreichender Fantasie nicht vorstellen können, halten sie für per se „unglaubwürdig“. Deshalb sollten wir nach Möglichkeit das Verhalten/die Reaktionen unserer Figuren, sofern sie nicht „Allerweltsreaktionen“ sind, an passender Stelle im Text begründen. Denn solange wir etwas logisch nachvollziehbar begründen (können), können wir „alles“ schreiben.
Der Teufel im Detail
Jedoch steckt allzu oft der Teufel in den Details, die man beim Plotten nicht ausarbeitet, weil man eben „nur“ einen Plot, das grobe (!) Handlungsgerüst, entwirft und glaubt, dass damit die Details schon automatisch passen werden. Leider ist das nicht immer der Fall. Besonders beim Krimi (aber nicht nur dort) lauern „Teufelsfallen“.
Bleiben wir beim obigen Beispiel mit dem wichtigen Hinweis durch das Bild in den alten Fotoalben auf dem Dachboden. Autorin/Autor hat im Plot entworfen: „Schließlich findet das Ermittlerteam in alten Fotoalben den entscheidenden Hinweis.“ So weit, so stichhaltig. Nicht berücksichtigt wurde aber der „Weg“ zu diesem Fund. Wie finden die Ermittelnden die Alben? Warum suchen sie ausgerechnet am Fundort nach Beweisen/Hinweisen? Vor allem: Warum messen sie den Fotoalben (sie gehörten den Großeltern des Opfers) überhaupt eine solche Bedeutung bei, dass sie alle bis zur letzten Seite durchsehen? Diese Details waren im Vorfeld nicht berücksichtigt worden. Daran scheiterte der erste Romanentwurf und musste in etlichen Teilen neu geschrieben werden, weil das „Lösungsmittel“ des Falls nicht in die Handlung passte.
Der Plot für einen Liebesroman sieht zum Beispiel vor, dass der Held nach einigen Irrungen und Wirrungen schließlich hinter die von seinem Nebenbuhler gesponnene Intrige kommt, mit der dieser die Liebe zwischen Heldin und Held zerstören wollte. So weit, so ausreichend für das grobe Gerüst eines Plots. Doch wenn man sich im Vorfeld keine Gedanken über die Details macht – wie genau sieht die Intrige aus, wie entdeckt der Held sie, ist sie überhaupt glaubhaft für ihn, um an der Liebe seiner Angebeteten zu zweifeln, und warum tut sie nichts dagegen/kann sich nicht dagegen wehren? –, dann laufen wir Gefahr, den Roman in der Ausarbeitung an spätestens diesem Punkt festzufahren.
Besonders wichtig ist die Vorab-Berücksichtigung der Details bei Science Fiction und Fantasy. Viele Autorinnen/Autoren glauben, wenn sie eine Fantasiewelt mit Fantasiewesen und „fantastischer“ Technik entwerfen, dann könnten sie in ihr „alles“ geschehen lassen und die Handlung wahlweise durch Magie oder überragende Technik passend machen. Doch das funktioniert nie.
Wenn ein supermächtiger Zauberer besiegt werden soll, dann muss er eine Schwachstelle haben, die den Sieg über ihn möglich macht. Diese Schwachstelle, die er selbstverständlich geheimzuhalten versucht, müssen Heldin und Held auf nachvollziehbare Weise herausfinden (nicht durch Zufall!) und in der Lage sein, sie auszunutzen. Wie das möglich sein soll, muss man schon während der Arbeit am Plot festlegen, andernfalls einem der gesamte Plot „um die Ohren fliegt“, wenn man Pech hat.
Das mit den Hauptfiguren besetzte Raumschiff muss auf einen Planeten gelangen, der vollständig von einem undurchdringlichen Schutzschild umgeben ist. Der Plot sieht vor, „dass es ihnen schließlich gelingt, die Barriere zu umgehen und auf dem Planeten zu landen“. Doch das Wie dieses Gelingens sollte man unter allen Umständen schon beim Plotten logisch nachvollziehbar zumindest in Gedanken ausarbeiten, sonst steht nicht nur das Heldenschiff mitsamt Besatzung vor dem undurchdringlichen Schirm ohne Plan, wie sie hineinkommen sollen, sondern wir als Autorin/Autor ebenfalls.
Teile eines Romans umarbeiten zu müssen, ist immer ein Ärgernis und umso ärgerlicher, wenn dieses Desaster „nur“ dadurch verursacht wurde, dass wir wichtige Details beim Plotten außer Acht gelassen haben, die wir zum Entwerfen der Gesamthandlung gar nicht brauchten. Außerdem ist das Nachbessern immer schwieriger, als sich im Vorfeld schon intensivere Gedanken zu machen. Der Grund: Haben wir einen Plot erst einmal fix und fertig entworfen, haben wir die dazu passende Story = die Romanhandlung komplett im Kopf – bis auf die Details. Passt nun etwas wegen der fehlenden Details nicht mehr, tut sich unser Gehirn schwer, sich vom bisherigen Plan zu lösen, „klebt“ an der so schön entworfenen ersten Fassung und will diese partout nicht ändern. Deshalb erfordert es eine gewisse Anstrengung, den alten Plan zu „löschen“ und ihn teilweise oder weitgehend neu zu entwerfen. Aber auch hierbei fällt uns die Arbeit mit zunehmender Schreiberfahrung leichter.
Ärgerlich bleibt das Ganze trotzdem, besonders wenn einem ein Abgabetermin im Nacken sitzt und die Zeit, die uns für die Änderungen bleibt, schon recht knapp ist. Deshalb sollten wir schon beim Plotten darauf achten, dass wir die geplante Lösung, Auflösung, den Triumph der Hauptfiguren von Anfang an im Detail durchdenken, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
Dafür gibt es eine einfache, aber wirksame Methode. Fragen wir uns bei allem, was wir entwerfen:
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- Warum geschieht das/soll das geschehen?
- Wie kann das Geplante logisch/psychologisch nachvollziehbar möglich sein/werden?
- Ergibt sich das geplante Ende/Teilergebnis/Detail folgerichtig aus allen vorherigen Handlungen oder der aktuellen Situation einer Szene?
- Ist das alles realistisch, oder wirkt es konstruiert?
Zu dem Zweck empfiehlt sich, den fertigen Plot eine Weile ruhen zu lassen, bevor man sich an die Ausarbeitung macht, denn mit etwas Abstand zum Entwurf fallen einem (oft, leider nicht immer) Diskrepanzen eher auf, als wenn man „nonstop“ von der Planung zur Ausarbeitung übergeht.
Sollte sich später beim Schreiben des Romans trotzdem ein logischer Bruch, eine realitätsfremde Konstruktion oder ein anderes Hindernis ergeben, das den geplanten Plot aushebelt, lautet mein dringender Appell: Auch wenn es schwerfällt, man mega-enttäuscht ist und schon unzählige Stunden an Arbeit in einen Text investiert hat, sollte man alles streichen, was nicht mehr passt und im Notfall den ganzen Roman neu schreiben! Arbeit „für die Katz’“ geleistet zu haben, ist meiner Überzeugung nach immer die bessere Alternative, als einen fehlerhaften Roman zu schreiben, der am Ende womöglich vom Lesepublikum verrissen wird.
Obwohl ich solche und andere Dinge aus eigener Erfahrung und Überzeugung empfehle, gibt es doch etliche Autorinnen/Autoren, die das anders handhaben und bestens klarkommen. Mein Tipp: Probieren geht über Studieren! Und im Lauf der Schreiberfahrung entwickeln wir ohnehin unsere eigenen Methoden. Beim Schreiben zählt das Endergebnis, nicht der Weg dorthin.
In der nächsten Folge: Die „Heldenreise“ – ein ganz besonderer Plot