Bücher und Mandarinen – Eine kleine Weihnachtsgeschichte aus meinem Dorf
Diese kleine Geschichte aus Portugal flatterte in das Redaktionspostfach. Unser Herausgeber fand sie so wunderbar gelungen und passend, dass er gleich bei der Autorin nachfragte, ob er sie denn einem größeren Publikum würde vorstellen dürfen. Sie hat „ja“ gesagt – wenn auch nur zur Veröffentlichung des Texts. Danke, liebe Catrin. Wie schreibst Du so schön: Feliz Natal com Boas Entradas – e com desejos para um santo e feliz Ano Novo! Das braucht man nicht zu übersetzen, das versteht gerade jeder!
Die Redaktion
Ein turbulentes Jahr liegt hinter mir. Noch eines, schmunzele ich und all diejenigen die mich kennen, schmunzeln mit. Seit Anfang November bin ich dauerhaft zurück von spannenden Reisen mit vielen Gästen kreuz und quer durch Portugal, kehre zurück in das Dorf an der Algarve, wo ich das heurige Weihnachten zum 25. Mal feiern werde und seit 1999 mein Zuhause ist.
O meu lar – mein Heim – wo ich mich sicher, geborgen, geliebt fühle. Von meinem Mann, der ( für alle dies noch nicht wissen sollten…) mein Nachbar war und den ich sozusagen auf der Straße gefunden habe – oder er mich – oder beides.
Wo ich mich wohl fühle, weil es meine Nachbarn gibt, mit denen ich ein Gespräch anfangen kann, buchstäblich über Gott und die Welt.
Einer meine Nachbarn heißt Senhor Jacinto. Wie alt er sein mag. Keine Ahnung. Jenseits der 80 bestimmt. Sein Leben lang verbrachte er hier. In diesem Dorf. Und im campo, das ist sein Gemüsegarten mit Obstbäumen und Hühnerzucht. Senhor Jacinto ist kleiner als ich. Sein Gesicht ähnelt einem gemütlichen Knautschkissen, aus dem mich Fältchen und Runzeln anlachen. Die dunklen Äuglein leuchten spitzbübisch. Stets tanzt der Schelm in seinen Worten mit. Er nimmt alles und jeden auf die Schippe, doch nicht alle verstehen seinen feingezwirbelten Humor. Falls also jemand säuerlich reagiert, bietet Senhor Jacinto demjenigen mit Augenzwinkern eine Zitrone an.
Sein Universum ist gefüllt mit Orangen und Zitronen, Bohnen und Erbsen, Grünkohl und Kartoffeln – und sein Herz schlägt für seine Familie. Er lebt mit den Jahreszeiten, zwischen Saat und Ernte und den Fütterzeiten seiner Hühner. Außerdem bringt er seine beiden Ur-Enkel morgens zur Schule und holt sie am Nachmittag auch wieder ab. Alles zu Fuß. Einen Traktor kann er fahren, jeden Traktor, grinst er, aber auf der Straße lieber nicht. Dort haben es seiner Meinung alle viel zu eilig.
Begegnen wir uns im Dorf, halten wir conversa, so wie es sich hierzulande gehört, auf der Straße und herzlich einander zugewandt. Einmal im Jahr und jedes Jahr wieder kurz vor Weihnachten klopft er an meine Türe. In der Hand einen Sack aus dem es verführerisch nach frisch gepflückten Mandarinen duftet.
Ich lade ihn ein einzutreten, er schaut über meine Schulter, lächelt und sagt, das ist nicht nötig, er wolle mir doch nur die Früchte bringen. Ich könnte einen Kaffee für uns aufbrühen, biete ich an, er sagt, er habe den obligatorischen Kaffee nach dem Mittagessen schon getrunken. Vielleicht ein Glas Likör? Er lacht, aber nein, menina Catarina, aus dem Alter sei er herausgewachsen.
Ich nehme den Sack in Empfang, hebe ihn an die Nase, schnuppere und schließe für einen langen Moment die Augen. Hmm, das duftet paradiesisch, augenblicklich stehe ich im Mandarinenhain, sehe die kleinen Früchte gülden glänzen, das Laub sattgrün leuchten und höre Bienensummen. Ein kleiner Flügelschlag großen Glücks.
Kann ich Ihnen gar nichts Gutes tun? Frage ich und hauche ihm Beijinhos als Dank auf beide Wangen. Er schüttelt den Kopf. Aber nein, Catarina, ich bringe dir Früchte mit viel Vitamin C, damit du beim Lesen und Schreiben gesund bleibst. Ich erwarte nichts dafür, denn wenn ich deine Freude sehe, ist das Geschenk genug.
Warmherzige Worte, die in mich einrieseln. Dank Senhor Jacinto finde ich jedes Jahr wieder – Weihnachten.
Beitragsbild „presépio tardicional algarvio“ (c) Catrin George