Der Kreis des Weberknechts – ein Netz aus Ironie, Satire und Essayistik
Die Auswertung für Das Debüt 2019 läuft auf Hochtouren und mit Ana Marwans Der Kreis des Weberknechts erscheint an dieser Stelle die erste zugetextet-Rezension für den diesjährigen Bloggerpreis.
Ana Marwan, Der Kreis des Weberknechts, Roman, Otto Müller Verlagsgesellschaft, Salzburg 2019, 1. Auflage, ISBN 9783701312719, gebunden, 191 Seiten, 22,00€.
Ana Marwan zeichnet einen Lebensausschnitt des Akademikers Karl Lipitsch nach, der als Aussteiger dem Leben in der Großstadt zu entfliehen versucht. Im selbstauferlegten Exil will er sich voll und ganz dem Verfassen seines Romans widmen, einem Buch, auf das die Welt seiner Auffassung nach gewartet hat. Doch seine neue Nachbarin Mathilde wirbelt nicht nur diese Absicht, sondern auch sein Leben und seine eigentlich festgefahrenen Werte mehr als Durcheinander. Karl Lipitsch ist verliebt. Es hat ihn schlimmer erwischt als je zuvor. So beginnt eine Romanze, die durch Aufrechnungen, Missverständnisse und mangelhafte Kommunikation gekennzeichnet ist.
Bei der Rezeption von Ana Marwans Debüt ist schnell deutlich geworden, warum das Werk einen Platz auf der fünf Titel umfassenden Shortlist ergattern konnte. Allein die Zeichnung des Protagonisten ist ausgefallen, karikiert das bildungsbürgerliche Patriarchat und regt immer wieder zur Selbstreflexion an. Gleiches gilt für den weiblichen Gegenpart Mathildes.
Erwähnenswert ist die Erzählweise, die durch messerscharfe Ironie und essayistische Einschübe geprägt ist. Es sind die Beschreibungen kurzer, prägnanter Beobachtungen und die daraus abgeleiteten Überlegungen, die immer wieder hervorstechen.
Seit seiner Kindheit war die Vorstellung, ausgelacht zu werden, eine der schlimmsten, die ihn verfolgten. Er dachte, er würde sich im fremden Lachen als Mensch auflösen, als ob er mit jedem einzelnen brüllenden oder stöhnenden „Ha“ stückweise ausgesondert würde und dann mit dem Lachen verginge. Die Spontaneität und Unkontrollierbarkeit dieser Vernichtungsmethode machten sie zur effizientesten. Man konnte sich nämlich sicher sein, man hatte selbst auf den Auslöser gedrückt, ja, überspannt könnte man es als ungewollten Selbstmord bezeichnen, für den man niemandem die Schuld geben kann.
Eingeschobene Überlegungen dieser Art, das Aufgreifen alltäglicher Handlungen und die Dekonstruktion gesellschaftlicher Normen werden in Der Kreis des Weberknechts durch eine Beinahe-Liebesgeschichte umrahmt, bei der die Lesenden abwechselnd mit dem Kopf schütteln, schmunzeln und das Verlangen einzugreifen verspüren können. Dabei folgt der Roman einem einfachen Rezept: Man nehme eine Portion Lovestory und dreht sie durch den Fleischwolf der Ironie, Satire und Essayistik, bis nur noch die Feinheiten zu erkennen sind. Heraus kommt ein gelungenes Debüt, das vor allem durch seinen Wiedererkennungswert zu überzeugen weiß.