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Die Diktatur frisst ihre Kinder

Rezension von Walther

 

Catrin Ponciano, Leiser Tod in Lissabon, Emons Verlag, Köln 2020, ISBN 978-3-7408-0783-2, 272 Seiten, Broschur, 13,6 x 20,6 cm, 13,00 € [DE] 13,40 € [AT]

Die deutsche Autorin Catrin George Ponciano liebt ihre Wahlheimat sehr. Sie hat sich sogar dessen verschrieben, Geschichte, Kulinarik und Sehenswürdigkeiten Portugals bekanntzumachen – in Form von geführten Ausflügen und Spaziergängen, aber auch in Buchform. Wir besprachen ein sehr gelungenes bereits unter dem Beitrag „Lissabon und Pessoa – Stadtführung durch einen Dichterfürsten“. Prädikat: sehr lesenswert.

Mit ihrem hier zu besprechenden Kriminalroman überraschte sie nicht nur den Rezensenten. Nein, sie erhielt für ihren Krimi-Erstling sogar den Debütpreis des Jahres 2021 im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte. Kenner erinnern sich, dass dieser Preis Renommee hat – wer ihn erhält, wird sozusagen über Nacht zu einer echten Nummer auf dem Markt der Krimiautorinnen und -autoren. Was sie auch verdient hat, wie wir gleich sehen werden.
Da ist zum einen die Heldin Inspetora-Chefe Dora Monteiro, eine patente, hübsche, lebenslustige, immer noch junge Kriminalistin mit kapverdischen Wurzeln. Sie erleidet den täglichen kleinen Rassismus, den es überall in Europa gegenüber nicht-weißen Mitbürgerinnen und -bürgern gibt. Als Frau hat sie sich bis in ihre Position hineinkämpfen müssen: Besser sein als die männlichen Kollegen. Kleinere Zurücksetzungen runterschlucken und weitermachen. Da wird frau abgehärtet.
Natürlich hat sie Laster. Wer hat sie nicht. Da wären die Süßigkeiten, von denen die portugiesische Küche viele zu bieten hat. Apropos Küche: Kulinarik enthält dieser Roman ebenso wie eine Tour d’Horizon durch Lissabon und die wesentlichen Stränge der portugiesischen jüngsten Geschichte seit der Nelkenrevolution in den frühen siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. So manches Aha-Erlebnis ist selbst für den versierteren Beobachter europäischer Entwicklungen garantiert.

Das Ganze ist in einen spannenden Krimi verpackt, der mit einem Paukenschlag beginnt: dem Mord an einer wichtigen Person des Wirtschafts- und Finanzlebens mit Hilfe einen Stahlstifts in einer durchaus nicht unbekannten Kirche der Stadt. Je länger die Ermittlungen fortschreiten, desto mehr Volten, Um- und Irrwege müssen die Kommissarin und ihre Ermittlerkollegen nehmen. Dabei löst sie einen Skandal aus, in dem ein Massenmörder aus der Geheimpolizei des Diktators Salazar unmittelbar vor und während der der Revolution vorausgehenden unruhigen Zeit eine traurige Rolle spielt, der es geschafft hatte, seiner Verurteilung durch einen Identitätswechsel zu entgehen und danach in den Sicherheitsorganen der neuen Republik eine wichtige Rolle zu spielen.
Auch die Korruption, die Portugal vor und nach der Revolution plagte, nimmt eine wesentliche Rolle im Plot des Buches ein. Allein daran kann man ablesen, wie gut die Autorin im Vorfeld recherchiert hat. Sie kennt sich aus, ohne sich in den Details zu verheddern. Man erfährt gerade genug, um die Bedeutung des Problems für das Land zu verstehen und dennoch die für die Spannung wesentlichen Indizien zu erfahren. Das macht einen guten Kriminalroman aus. Dass dieser noch mehr will, steht auf einem anderen Blatt und macht das Buch umso lesenswerter.
Auch eine familiäre Tragödie nimmt einen wesentlichen Raum ein. Der Titel dieser Besprechung ist also nicht ohne Grund gewählt. Aber jetzt ist genug gespoilert. Das Buch will schließlich besprochen sein und nicht nacherzählt. Sonst wäre ja der Grund für den Erwerb des Bands verloren gegangen. Das wiederum, also das Nichtkaufen und Nichtlesen, würde um vieles bringen. Nämlich um das, was man Lesevergnügen nennt. Allen, die das Buch jetzt kaufen, sei versprochen: Das Lesen wird höchst vergnüglich werden. In vielfacher Hinsicht. Versprochen.
Kurz und bündig: Dieser Portugal-Krimi bekommt eine klare Leseempfehlung!

Bevor wir’s vergessen: Es gibt einen zweiten Band mit derselben Heldin. Sie wollen jetzt schon alles darüber wissen? Verstehen wir. Aber dennoch müssen wir Sie bitten, sich noch ein wenig zu gedulden. Die Besprechung kommt in nicht allzu ferner Zukunft. Unbedingt!

 

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