Frank McCourt, Die Asche meiner Mutter

Rezension: Frank McCourt – Wohin führt eine Kindheit in Irland?

von Maja Seiffermann

Frank McCourt, Die Asche meiner Mutter (orig. Angela´s Ashes), 1996/2010 (Übersetzung), Autobiographie, ISBN: 978-3-442-74100-7, btb-Verlag, 768 S., Taschenbuch, 11,00 € (D)

 Wenn Dad nach Hause kommt und nach Getränken riecht, gibt es kein Geld, und Mam schreit ihn an, bis die Zwillinge weinen, und Malachy und ich rennen raus auf den Spielplatz.

Inhalt

So beschreibt der 1930 in New York geborene Frank McCourt seine Kindheit. Mit seiner irischen Mutter, seinem Vater aus Nordirland und seinen Geschwistern zieht er nach dem Tod seiner Schwester nach Limerick, wo die Familie ein noch ärmeres Leben erwartet.

Der Vater erhält trotz seines angeblich geleisteten Dienstes bei der IRA kein Geld und findet erst spät wieder Arbeit, ertränkt das meiste seines Gehaltes jedoch in Pints und der Familie bleibt nichts anderes übrig als von der Kirchensorge zu leben oder, zu betteln oder zu stehlen.

Abends kommt der Vater betrunken nach Hause und zwingt seine Söhne patriotische Lieder zu singen und zu schwören, für Irland zu sterben.

Sämtlichen Umzügen, einer Fehlgeburt, dem Tod der Zwillinge sowie der Geburt zweier neuer Brüder folgt der Krieg, der dem Vater Arbeit in England verschafft. Trotzdem schickt er nur ein einziges Mal Geld, besucht die Familie nicht wirklich, bis er schließlich gar nicht mehr zurückkehrt.

Da Frank sich dann als Ernährer der Familie sieht, arbeitet er mit 14 nach seiner Erkrankung an Typhus und trotz einer schrecklichen Augenentzündung als Kohleträger.

Mutter und Kinder sind irgendwann aus Geldsorgen gezwungen zu einem Verwandten zu ziehen, bei dem Frank es aber nicht lange aushält, da der Mann gewalttätig ist und die Mutter zum Sex zwingt.

Er arbeitet schließlich bei der Post und schreibt später für eine Ladenbesitzerin Drohbriefe an Schuldner.

So spart er Geld, und geht mit neunzehn zurück nach Amerika.

Rezension

Die Asche meiner Mutter ist eines der wenigen Bücher, bei dem ich trotz der Länge von über 500 Seiten nicht aufgegeben habe. Es gibt zudem eine Verfilmung sowie einen zweiten Teil des Buches. Frankies Kindheit zwischen Armut, Krankheit, Tradition und Familie kennenzulernen, war Ehre und immense Anstrengung zugleich.

Die primitive, sehr durch die katholische Kirche geprägte Denkweise der Bevölkerung, ruft beim Lesen ernsthafte Verzweiflung hervor und das Bedürfnis, regelrecht ins Buch hineinzufassen, um dem Status quo gewaltsam eine Veränderung anzutun, wird mit jeder Seite größer.

Die Skrupellosigkeit des Vaters, seine Pint, die den Status einer Universallösung genießt, auf den Sarg seines toten Kindes zu stellen, treibt einen in den Wahnsinn. Genauso wie seine Sturheit, bestimmte Tätigkeiten auszuführen, die der Familie Geld oder Essen bringen würden, und das, obwohl Frank schreibt: „Der Gedanke an unsere Schande gibt mir wieder einen Stich ins Herz, und ich fange an zu schniefen.“

Frank McCourt schafft es, durch Kinderaugen hindurch bei jedem Leser dieselbe Hoffnung hervorzurufen, die die Familie empfindet; das gebannte Warten auf Post aus England, ein bisschen Geld, neue Kleidung, ein trockenes Haus vielleicht.

Franks Beschreibungen von Essen oder dem Hunger, den er leiden musste, ist für uns nicht nachvollziehbar und passt deshalb umso besser in das Buch.

„Worauf sollen wir denn verzichten, wenn wir das ganze Jahr Fastenzeit haben?“, sagt Frank.

Dadurch, dass man Frank beim Älterwerden begleitet und seine tiefen Geheimnisse kennt, ist man bereit, ihm vieles zu verzeihen; Dass er für seine kranke Mutter Essen stiehlt, seine Ersparnisse für Amerika nicht teilt oder dass er betrunken seine Mutter angreift.

Frankies Probleme mit Freunden oder dass jemand die Erzählung über seinen Lieblingshelden stiehlt, werden zu Franks Bedürfnis, der Mann im Haus zu sein oder zur Angst, daran schuld zu sein, dass seine erste Liebe nach dem Tod in die Hölle gekommen ist.

Viele seiner Ängste resultieren aus seinem krankhaften Verhältnis zur Kirche, das ihm seit seiner Kindheit eingetrichtert wird. Seine Mutter befolgt die Traditionen aus Pflichtgefühl, aber sagt auch, sie sei sicher, dass Gott irgendwo zu irgendwem gut sei, aber in diesem Viertel von Limerick habe Er sich in letzter Zeit nicht blicken lassen.

Auch Dialoge wie „Mensch Angela, für so was kannst du in die Hölle kommen, und Mam sagt, bin ich da nicht schon, Bridey“ oder dass die Kinder in Irland nicht aufgeklärt sind und Frank durch ein Lexikon erfährt, was Sex ist, beweisen, dass so einiges anders sein sollte.

Eine andere Perspektive auf den zweiten Weltkrieg zu erhalten, war ebenfalls bereichernd. Der Krieg, der für Arbeitsplätze sorgte, kam vielen, insbesondere ungebildeten Iren, die keinen Zugang zu z.B. Radios hatten, sehr gelegen.

Der Armut, der die Familie McCourt ausgesetzt ist, wird mit so einem Maß an Authentizität und Ehrlichkeit präsentiert, dass man schließlich eine gewisse Scham gegenüber den Charakteren aus dem Buch ablegt.

Generell ist bemerkenswert, wie präzise McCourt all die Menschen in seinem Leben beschreibt. Durch das wiederholte Auftauchen diverser Menschen weiß man, dass nichts sich sonderlich schnell verändert. Darüber hinaus fiebert man mit mehr Menschen mit und kann sich gut zurückerinnern, wer zu welchem positiven oder negativen Ereignis in Franks Leben beigetragen hat.

Jemand unter diesen Personen sagte einmal zu Frank: „Du wohnst in einer Gasse, und das bedeutet, dass du nirgendwohin kannst, außer nach oben.“

Nach oben ist Frank am Ende zum Glück gekommen. Denn trotz seiner ereignisreichen armen Kindheit, sagt er vor seiner erlösenden Abreise nach Amerika sogar: „Ich möchte, dass Bilder von Limerick in meinem Kopf bleiben, falls ich nie wieder zurückkomme.“

 

 

 

 

 

 

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