Interview mit Frau Lena Panzer-Selz vom Dahlemer Literatur- und Kunst-Salon
Frage 1: Wie ist das Projekt Dahlemer Literatur- und Kunst-Salon GmbH und die Webseite http://www.ernafitzner.de entstanden? Wann gab es die erste Idee dazu, und wie waren die ersten Schritte zur Umsetzung?
Antwort: Der Dahlemer Literatur- und Kunst-Salon wurde 2006 aus dem Nachlass von Erna Fitzner gegründet. Erna Fitzner schrieb seit ihrer Jugend Gedichte und richtete sich in ihrem Wohnhaus in Berlin-Dahlem einen Salon ein. Sie lebte allerdings sehr zurückgezogen und veröffentlichte weder ihre Texte noch lud sie Gäste in ihr Haus ein. Da sie keine Angehörigen hatte, vermachte sie ihren gesamten Besitz ihrer Nachbarin, Elke Rosin. Sie rief den Salon kurz nach Erna Fitzners Tod ins Leben und richtet seitdem monatlich einen Salonabend aus. Bei diesen Salonabenden handelt es sich meistens um Lesungen, die stets musikalisch begleitet werden. Einmal im Jahr wird außerdem ein kunsthistorischer Vortrag gehalten. Zu Beginn jeder Veranstaltung trägt Elke Rosin in Erinnerung an ihre verstorbene Nachbarin eines ihrer Gedichte vor.
Um das künstlerische Erbe Erna Fitzners in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, gab sie im Jahr 2007 eine Auswahl von Erna Fitzners Gedichten heraus. 2012 folgte eine weitere Veröffentlichung in Form einer CD mit gesprochenen und gesungenen Gedichten. Die Homepage www.ernafitzner.de wurde mit der Gründung des Salons eingerichtet, um über das Leben Erna Fitzners zu informieren, sie dient aber nicht dazu, Werbung für den Salon zu machen, da es sich bei den monatlichen Salonabenden um private Veranstaltungen handelt, zu denen die Gäste stets persönlich per E-Mail oder Brief eingeladen werden.
Frage 2: Welche Zielgruppe(n) hatten Sie beim Aufbau von Salon und Webseite im Sinn? Welches Konzept verfolgt der Dahlemer Literatur- und Kunstsalon? Wie erfolgen die Auswahl und das Gewinnen neuer AutorInnen? Ist die Auswahl bereits abgeschlossen?
Antwort: Der Dahlemer Literatur- und Kunst-Salon bietet Lesungen, Vorträge und Konzerte für ein kunst- und kulturinteressiertes Publikum an. Im Laufe der Jahre hat sich ein Stammpublikum herausgebildet, das jedoch stetig in Bewegung bleibt, da die Freunde des Dahlemer Literatur- und Kunst-Salons immer wieder neue Gäste in den Kreis einführen. Dadurch kommen stets auch neue Gesichter hinzu.
Erstes und wichtigstes Kriterium für Elke Rosin bei der Auswahl der AutorInnen, die im Salon lesen, ist, dass ihr persönlich die Texte gefallen und sie ansprechen. Elke Rosin besucht häufig Lesungen und hat sich im Laufe der Zeit ein Netzwerk aufgebaut, so dass sie informiert ist, wenn z. B. ein neues Buch erscheint oder ein Autor gerade auf Lesereise in Berlin ist. Viele AutorInnen, die bereits im Salon gelesen haben, halten den Kontakt zum Salon und kommen als Gäste auch zu anderen Abenden oder melden sich, wenn sie ein neues Projekt abgeschlossen haben. So stellte beispielsweise Regina Scheer ihre Biografie über die Familie von Max Liebermann vor einigen Jahren im Salon vor. Im Herbst erscheint ihr aktueller Roman „Machandel“ aus dem sie Ende November 2014 im Salon lesen wird. Häufig gehen im Salon Anfragen von AutorInnen ein, die vom Dahlemer Literatur- und Kunst-Salon gehört haben und gern einmal ihre Texte vorstellen möchten. Die Auswahl der AutorInnen ist keineswegs abgeschlossen, und Elke Rosin freut sich stets neue AutorInnen kennenzulernen. Bei der Gestaltung ihres Programms legt sie großen Wert darauf, dass es abwechslungsreich ist und aktuelle Ereignisse einbezogen werden, z. B. findet im Januar stets eine Veranstaltung statt, die wegen des Holocaust-Gedenktages ein verwandtes Thema behandelt. Die Warteliste der Autoren, die sich bereits für eine Lesung ins Gespräch gebracht haben, ist inzwischen lang.
Frage 3: Wenn Sie die letzten Jahre Revue passieren lassen, was waren die herausragenden Ergebnisse und Ereignisse? Wenn Sie sich die ursprüngliche Konzeption in Erinnerung rufen, was davon haben Sie realisiert, wo gibt es die stärksten Abweichungen, und wo liegen die Gründe dafür? Wie wirken Salon, Veranstaltungen und Webseite aufeinander?
Antwort: Seit der Gründung des Salons haben sehr unterschiedliche AutorInnen ihre Texte vorgestellt. Dabei gab es viele Höhepunkte. Begegnungen mit interessanten Menschen, faszinierende Texte und beeindruckende musikalische Darbietungen. Die Heidelberger Autorin Marion Tauschwitz stellte 2011 ihre Biografie über die Lyrikerin Hilde Domin an zwei Abenden dem Salonpublikum vor, 2012 las Richard Pietraß eine Auswahl seiner Gedichte, 2013 Dr. Heidrun Loeper Passagen aus ihrem Band über Else Lasker-Schüler und im Sommer 2014 trug Walther seine Sonette vor, um hier nur einige wenige Höhepunkte der letzten Jahre zu nennen.
Bei der Gründung des Salons ging es darum ein Netzwerk aufzubauen, um Literaten und Musiker zu gewinnen, die im Salon auftreten. Elke Rosin gelang es schnell, Kontakte zu knüpfen. Sie bekommt heute zahlreiche Anfragen von Interessenten, die sich im Salon präsentieren möchten.
Die Website spielt für den Salon keine zentrale Rolle, sie dient eher als Visitenkarte, um neuen Interessenten auf unkomplizierte Art und Weise den Salon nahe bringen zu können.
Frage 4: Unter den Literaten gibt es einen bösen Spruch: „Ist die Prosa dir zu schwierig, versuche es einmal mit Lyrik“. Wie gehen Sie in Ihrem Programm damit um? Welche Rolle spielt für Sie und Ihre AutorInnen die Arbeit an und die Beschäftigung mit Form, Metrum und dem Sprachvermögen in den Beiträgen?
Antwort: Im Dahlemer Literatur- und Kunst-Salon finden ca. zweimal pro Jahr reine Lyrik-Lesungen statt. Elke Rosin hat dabei Verschiedenes ausprobiert, wie z. B. Tandem-Lesungen von zwei unterschiedlichen Lyrikern. Jede Lesung im Salon wird musikalisch begleitet, was sich als sehr erfolgreich erwiesen hat. Bei Lyrik-Lesungen kombiniert sie die Texte gern mit ausgefallenen Instrumenten, so stellte beispielsweise Rajvinder Singh seine Texte im Oktober 2013 im Salon vor und wurde dabei von einer Harfenistin begleitet.
Auf die Verbindung von Lyrik und Musik setzte Elke Rosin auch bei ihrer zweiten Veröffentlichung der Gedichte von Erna Fitzner. Sie ließ eine Auswahl der Gedichte vertonen. Eine CD mit Kompositionen des Berliner Pianisten Andreas Wolter, auf der die Sopranistin Ute Beckert die Texte mit musikalischer Begleitung einer Cellistin und eines Geigers eingesungen hat, ist entstanden.
Frage 5: In welche Richtung werden sich Salon und Forum entwickeln? Wo wollen Sie in zwei bis drei Jahren sein?
Antwort: Ziel des Salons war es das Leben und Werk der unbekannten Lyrikerin Erna Fitzner der Öffentlichkeit vorzustellen. Dieses Ziel konnte verwirklicht werden. Das Konzept, das mit dieser Maßgabe für den Salon entwickelt wurde, hat sich bewährt, und die Abende im Salon sind stets gut besucht. Wir hoffen, dass das Stammpublikum des Salons auch in den nächsten Jahren regelmäßig an den Veranstaltungen teilnimmt.
Frage 6: Was unterscheidet die Salon- und Lyrik-Szene im deutschsprachigen Raum von der Szene vergleichbarer anderer europäischer Staaten? Wie stellen sich für Sie Indi-Szene und die offizielle Lyrik-Preis-Szene zueinander dar? Aus welchen Quellen werden die stärksten Impulse für die deutschsprachige Lyrik in Zukunft kommen?
Antwort: Diese Fragen können wir aus mangelnder eigener Anschauung leider nicht wie gewünscht beantworten.
zugetextet.com: Dafür haben wir vollstes Verständnis!
Frage 7: Wie positionieren Sie Ihre Initiative für oder gegen andere ähnliche Salons und Initiativen? Wie sieht die Zusammenarbeit mit renommierten Verlagen aus?
Antwort: Es bestehen in Berlin viele kleine kulturelle Einrichtungen, Vereine oder Salons, die Kulturveranstaltungen anbieten. Der Dahlemer Literatur- und Kunst-Salon kooperiert mit einigen anderen Institutionen. Es ergibt sich keine Konkurrenz, sondern vielmehr ein Miteinander. Beispielsweise bietet das Bürgerhaus in Grünau sehr interessante und vielfältige Abende an, wenn ein Künstler dort aufgetreten ist, dessen Programm Elke Rosin gefallen hat, fragt sie häufig an, ob er auch einem Abend im Salon gestalten würde. Da Berlin so groß ist, lassen sich Überschneidungen der Publikumskreise vermeiden. Im Laufe der Jahre hat sich auch eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen kleinen Berliner Verlagen entwickelt.
Auch Autoren großer renommierter Verlage haben bereits im Salon gelesen. Diese Lesungen kamen stets durch den persönlichen Kontakt mit den AutoInnen zustande und wurden nicht durch den Verlag angeregt. Elke Rosin liegt es am Herzen, besonders auch die kleinen Verlage zu fördern.
zugetextet.com: Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Frau Rosin und Ihnen weiterhin gutes Gelingen bei diesem schönen und wichtigen, die Literatur fördernden Projekt!
Das Gespräch führte der Herausgeber im August 2014 mit Frau Panzer-Selz, die in der Stiftung von Frau Fitzner unter der Ägigde von Frau Rosin federführend mitarbeitet.
Netfinder:
Das Portrait des Salons: http://www.zugetextet.com/?p=445
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