#KleinverlageFördern: Lyrische Essays mit Spiegelchrakter
Die Hamburger Autorin Nina Tröger mit ihrem Band ‚Irgendwo da draußen sind noch Menschen‘
Wer sie einmal live erlebt hat auf einer Lesung, der wird sie nicht vergessen. Eine Erzählerin (im Brotberuf klettert sie) im großen Stil, die einen ganzen Saal voller Menschen in die lachende Nachdenklichkeit treibt. Wie charakterisiert sie ihre Texte selber: depressiver Frohsinn oder heitere Melancholie. Ihre Texte ziehen jeden Menschen in ihren Bann, spiegeln unser Verhalten, ohne eine von außen aufgesetzte Moral zu transportieren. Gleichwohl kennen ihre lyrischen Essays (oder ihre essayistische Lyrik) kein Pardon. Sie rütteln an unseren Selbstsicherheiten, halten uns, dabei schließt sich die Autorin stets selbst ein, unser eigenes Verhalten vor Augen, verdeutlichen uns die Blasen, in denen wir alle leben und uns wohlfühlen. Über allem immer wieder die hoffende Gewissheit (mit gelegentlichem Fragezeichen), dass es doch noch irgendwo da draußen Menschen gibt, denen das politische Handeln für eine Humanität ein eigenes Anliegen ist.
Ein Feuerwerk humaner Gedanken in brillanter Sprache. Wie ihre Lesungen, so ihr Buch – einfach mitreißend.
Die Lämmer*
es war einmal ein Lamm
das Lamm, es war allein
da kam ein Schaf vorbei
jetzt waren sie zu zwei’n
doch fiel das Lamm in‘ Bach
nun denkt das Schäfchen: Ach,
was für ein Dilemma!
*Dieser tragische Moment im Leben des Schafes ist genau genommen nur dann ein wahres Dilemma, wenn wir ihm eine gewisse gesellschaftliche oder moralische Verantwortung für das Lamm übertragen.
Sodann stellen sich folgende Fragen:
Soll das Schaf dem Lamm hinterher springen und versuchen, es zu retten? Es wird höchstwahrscheinlich ertrinken, denn Schafe können nicht sehr lange schwimmen. Geschweige denn Lämmer retten. Das Schaf, besser gesagt seine Wolle, saugt sich mit Wasser voll und zieht durch das immer größere Gewicht das sowieso recht schwimmunbegabte Tier in die Tiefe. Ein grausamer Tod.
Darf sich also das Schaf einfach aus dem Staub machen und das Lämmchen seinem Schicksal überlassen?
Kommt es gar ungeschoren davon?
Und wieso ist der Schäfer* eigentlich nie da, wenn man ihn braucht?
(*Es handelt sich hier tatsächlich um einen männlichen Schäfer. Er trägt einen sehr langen Bart und definiert sich selbst als cis-gender.)
Ein Band, der ein absolutes Muss für den Leser ist, der Sprachwitz und politische Schärfe zu schätzen mag. Und am besten gleich auf eine der nächste Veranstaltungen gehen und sie auch noch hören. Zum Beispiel am 28. August, wo sie mit ihrem neuen Band im ‚Lyrischen Garten‘ in Osterode im Harz Premiere feiert.
Der Band ist ab sofort in jeder Buchhandlung oder den einschlägigen Internetdiensten oder direkt ab dem Verlag erhältlich.
Nina Tröger, Irgendwo da draußen sind noch Menschen, Geest-Verlag, Vechta 2022, ISBN 978-3-86685-891-6, Taschenbuch, ca. 120 Seiten, 12,50 Euro (D), Coverillustration von Hannah Stehling
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