Lissabon und Pessoa – Stadtführung durch einen Dichterfürsten
Das Lissabon des Fernando Pessoa, Text: Catrin George Ponciano / Fotographien: Angelika Fischer, EDITION A.B.FISCHER, Berlin Juli 2021, 64 Seiten, ISBN 978-3-948114-07-7, € 16,00, Taschenbuch
Rezension von Walther
Reiseführer? Stadtporträt? Biographie? Fotoband? Der Wiener würde sagen: eine Melange, etwas von alledem. Das geht doch schon einmal gar nicht, hört man den Experten sagen. So kann man doch ein Buch nicht vermarkten. Es braucht schon ein Genre für den Erfolg. Sonst wird das nichts.
Der Autor im Rezensenten rebelliert. Stimmt doch gar nicht, sagt er. Qualität entscheidet! Und Qualität überwindet Genres. Sie entzieht sich der Schubladisierung! Gut muss ein Buch sein. So gut, dass man es weitererzählt. Dann wird es ein Erfolg!
Die gute Nachricht: Der Autor hat recht. Die schlechte: Der Buchmarktexperte auch. Und jetzt?
Jetzt ist alles wieder auf Anfang. Das vorliegende Band ist nach Ansicht des Rezensenten „ein Hammer“. Was auf die gepflegte Art des Bildungsbürgers übersetzt heißt: sehr gelungen. Warum? Wer diese fast 65 Seiten durchliest, meint beinahe, ein Freund Fernando Pessoas zu sein. Er kann ihn gehen sehen, saß mit ihm am Mittagstisch, erlebt seine Jugend und den dramatischen Verlust des Vaters, die fehlgeschlagene Existenzgründung, die vergebliche Liebe zu einer Schönheit und den Aufstieg zu einem gefeiertsten und bedeutendsten Schriftsteller und Lyriker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nicht nur Portugals, bitte sehr.
Und er wird durch die Weltkulturstadt Lissabon mit liebevoll ausgewählten Fotografien geführt, wie man es sonst wohl kaum erfahren könnte. Die Fotografien sind in Schwarzweiß gehalten, ganz im Stil, wie sie wohl zu Lebzeiten angefertigt worden wären. Damit ergänzen sie wunderbar die verwendeten Fotos aus der Sammlung des Arquivo Manuela Nogueira aus dem Casa Fernando Pessoa. Man meint beinahe, in die Stadt zu Lebzeiten des Dichters einzutauchen.
Nebenbei erfährt man allerhand Geschichtliches. Die Einordnung des Autors in seine Zeit auf dem Gebiet der Literatur- und Kulturgeschichte, der politischen und der sozialen Entwicklung. Man lernt nicht nur, dass Pessoa ein großer und wichtiger Autor war, der die Literaturmoderne vorantrieb. Auch sein politisches Wirken wird beleuchtet. Selbst die Person des Dichters in seinem Menschsein und in Andeutungen auch sein literarisches Schaffen werden beleuchtet.
Als der Band zugeschlagen wurde, entstand der Wunsch, sich von der Autorin der Texte und der Fotografin persönlich durch das Lissabon Pessoas führen zu lassen. Und das eine oder andere dessen auf die Leseliste zu setzen, von dem kleine textliche Eindrücke in den Bericht eingewoben waren.
Jetzt wäre da noch eine Doppel-Frage zu beantworten: Soll man oder frau dieses schmale Bändchen, dessen körperliches Gewicht umgekehrt reziprok zum gelieferten Inhalt ist, zum Kauf empfehlen – und wenn ja, wem? Die Frage vor dem Spiegelstrich kann mit einem lauten „Ja!“ beantwortet werden.
Die danach eher auch. Wenigstens alle Stadttouristinnen und Touristen, die in dieser Stadt in Scharen einfallen, sollten das Lesen dieses Reiseführers der besonderen Art zwangsverordnet bekommen.
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