Lyrik ist keine Wissenschaft, sondern Kunst
Gábor Paál, Lyrik ist Logik – Gedichte aus der Wissenschaft, Geest-Verlag, Vechta-Langförden 2008, 148 S., ISBN 978-3-86685-143-6
Die vollmundige Ankündigung des Verlags, besonders die Verweise auf die Auszeichnung des Autors und die seines Laudators Ernst-Peter Fischer, erzeugten beim Rezensenten großes, fast hochachtungsvolles Interesse. Nachdem die Veröffentlichungsmeldungen aus dem Hause Geest regelmäßig das Postfach unserer erreichen, erschien es nur fair und richtig, eines der vorgestellten Werke einmal zu besprechen.
Nun ist der Verlag selbst dafür bekannt, sich intensiv der Publikation auch nicht so bekannter und neuer AutorInnen zu widmen. Damit liegt er mit uns auf einer Wellenlänge. So kam zur Erwartung aus der Ankündigung auch noch der Glaube hinzu, das Verlagslektorat hätte sich des Werks vor seiner Veröffentlichung mit der professionellen Intensität angenommen, die das Haus Geest sonst sicherlich walten lässt.
Die Enttäuschung über die künstlerische und sprachliche Qualität des vorgelegten Bandes ist sicherlich auch den geschaffenen Erwartungen geschuldet. Nicht nur hat der Autor keinerlei Ahnung von so etwas wie Metrum, Form und sprachlichem Rhythmus. Schlimmer noch, er hat offensichtlich nicht die geringste Vorstellung davon, was lyrische Verdichtung von Sprache und Thema bedeutet.
Auch der Laudator spricht mit der Selbstverständlichkeit des Wissenden über Dinge, von denen er nicht den blassesten Schimmer zu haben scheint. Nachdem der Band mit Mühe und Not durchgelesen war, befand sich der Rezensent im Zustand von Wut und Zorn über Autor, Verlag und Laudator. Die Familie war Punchingball regelmäßiger Wutausbrüche, bei denen eine geradezu übermenschliche Selbstdisziplin verhinderte, dass das Buch zuerst in der Ecke und nachher als Zündmaterial im Freiluftofengrill landete.
Nachdem der Rezensent eine gewisse Zeit verstreichen ließ und dadurch etwas Distanz gewann, machte er sich an eine Recherche über Laudator und Autor. Da fiel zum Einen auf, dass der Laudator als Wissenschaftsjournalist zwar mit Preisen für seine Arbeit versehen auf ein sicherlich glänzendes und Hochachtung erzeugendes Berufsleben verweisen kann, aber von Lyrik und Sprachkunst keinerlei Kenntnis hat. Das war und ist nicht seine Profession, und so wäre es sicherlich besser gewesen, er hätte es unterlassen, einem von ihm geschätzten Journalistenkollegen diesen Dienst zu erweisen. Für ihn selbst war diese Hinführung ein Bä-rendienst, mit dem er sich der Lächerlichkeit preisgegeben hat.
Die weitere Recherche ergab zum Anderen, dass der Autor des hier zu besprechenden Bandes ebenfalls Wissenschaftsjournalist ist und ebenfalls bereits in jungen Jahren mit Preisen versehen. Auch hier kann sicherlich davon ausgegangen werden, dass er wirklich auf seinem Gebiet etwas Überdurchschnittliches vorzuweisen hat und eine Koryphäe seines Metiers bereits in jungen Jahren darstellt.
Nun ist es aber nicht so, dass ein guter Fußballspieler schon deshalb ein hervorragender Eishockeyspieler ist, weil er ein erstklassiger Fußballspieler ist. Dieses Beispiel soll klar machen, dass es durchaus angeraten sein kann, von einem erstklassigen Wissenschaftsjournalisten nicht zu erwarten, dass er etwa in der Lage wäre, veröffentlichungsfähige „Lyrik über Logik“ zu schreiben. Im Gegensatz zur Quintessenz seines Laudators, der wie folgt schwadroniert: „Wir brauchen mehr Gedichte dieser Art aus der Wissenschaft; wir brauchen überhaupt mehr Wissenschaft und mehr Gedichte. Wir sind lyrisch und logisch. Unserer Logik gefällt die Lyrik.“ (S. 8 des Bands), ist unsere Quintessenz eine andere. Sie lautet:
1. Hochmut kommt vor dem Fall.
2. Schuster, bleib bei deinen Leisten.
3. Kunst kommt von Können. Käme sie von Wollen, hieße sie Wulst. (frei nach: Karl Valentin)
Zusammengefasst: Dieses Buch braucht wirklich niemand. Schon gar nicht die Lyrik oder die Logik.
Dem Lektorat des Geest-Verlags ist anzuraten, sich durch Lebensläufen und deren beruflichen Erfolgen von Möchtegernlyrikern und ihren mit ihnen befreundeten Laudatoren nicht nochmals derartig auf den Holzweg führen zu lassen. Auf die Dauer schädigen solche, auf Papier gebannte, dicherische Unverschämtheiten sonst den an sich guten Ruf des Hauses. Und das wäre wirklich mehr als bedauerlich.
Netfinder: http://www.geest-verlag.de
Weltweitweb, im November 2009
Walther