„Man lebt nur zweimal“ – Jeffrey Archers “Heads you win” rezensiert
von Walther
Jeffrey Archer, Heads you win, Pan Macmillan, London 2019, ISBN 978-1-5290-1171-5, Paperback, 609 S., £ 6,99
Deutsche Übersetzung:
Jeffrey Archer, Traum des Lebens, aus dem Englischen von Martin Ruf, Heyne, München 2020, ISBN: 978-3-453-42359-6. Taschenbuch, 704 S., € 10,90
Jeffrey Archer hat sich beim Schreiben dieses Buchs von Austens 4321 anscheinend inspirieren lassen. Allerdings erzählt er die Geschichte seines Helden Alexander/Sasha Karpenko nur doppelt, nicht gleich vierfach. Und er lässt die Handlung einmal auf den Britischen Inseln und ein zweites Mal an der US-amerikanischen Ostküste spielen. Es gibt noch eine weitere Änderung: Die Geschichten beginnen fast genau dann, wenn Austens Storys enden: im Jahr 1968. Diesmal schmuggelt sich der Held mitsamt Mutter auf ein Frachtschiff, dessen Route einmal in Southampton und das andere Mal in Brooklyn.
Um es mit James Bond zu sagen: „You only live twice!“
Mit Hilfe seiner bereits in der Sowjetunion erworbenen englischen Sprachkenntnisse, seines begnadeten Schachspiels und seiner überdurchschnittlichen Begabung, die mit Fleiß und Durchsetzungsvermögen gepaart, beißt er sich in beiden Biographien nach oben durch. Erzählt werden zwei Flüchtlingsschicksale, die mit einem Erfolg enden. Jeffrey Archer kennt sich in Mittelengland und insbesondere in Oxford perfekt aus. Als ehemaliger Politiker und Mitglied des Britischen Parlaments als konservativer Abgeordneter kennt er sich perfekt in den politischen Ränkespielen aus und weiß, was man tun muss, um gewählt zu werden. Dass er seinen Protagonisten am Ende sich für Labour entscheiden lässt, mag man wohl durchaus als Kritik der Politik der Konservativen in der Gegenwart sehen.
Auch an der Ostküste macht der Held Karriere. Er rettet die Bank seines Freundes und wird Unterstützer der Demokraten. Sein Weg in den USA zeigt, dass der Romanautor seine Hausaufgaben gemacht hat. Er kennt auch die Abläufe des amerikanischen politischen Systems aus dem Effeff. Es nimmt nicht Wunder, dass seine Beschreibung klar zu erkennen gibt, welche Kritik an System und Lebensmaximen in den USA seine Feder geführt haben.
In beiden Fällen entscheidet sich der Protagonist, in Russland gegen Putin in den Ring zu steigen. Das hat u.a. damit zu tun, dass der Held einige offene Rechnungen hat, deren Begleichung im Nachfolgestaat der Sowjetunion ge- und versucht wird. Auch das alte und das neue Russland hat der Autor gut aufgearbeitet. Am Ende kostet die Absicht, gegen Putin als Präsidentschaftskandidat mit Aussicht auf Erfolg anzutreten, einem der beiden Ausgaben des Helden das Leben. Der andere kann seinen Schergen gerade noch entkommen. Es bleibt offen, welche Rechnungen beglichen wurden. Eine wird es, die andere eher nicht.
Es soll nicht verraten werden, welcher der beiden Erzählstränge mit dem Tod endet. Eine wichtige Rolle spielt beim Schluss, dass sich beiden Helden wie Zwillinge gleichen – was sie als zwei Lebensmöglichkeiten ja auch sind. Das Zwielicht, in dem die letzten Wochen und Tage in St. Peterburg spielen, wird dem einen das Leben kosten und dem anderen das Seine retten.
Der Autor selbst hat eine ziemlich aufregende Biographie. Es mag vielleicht nicht sein stärkstes Buch sein, ein lesens- und bedenkenswertes Spätwerk ist es allemal. Der Leser ist danach um Einiges schlauer, wie britische und US-amerikanische Politik funktioniert. Und er macht sich danach keinerlei Illusionen mehr über den wahren Gehalt des Putinismus.