These Girls, too Feministische Musikgeschichten _cover_lowres

Noch mehr Frauen in der Musik, meint der Rezensent. Wir auch!

Rezension von Dieter Feist

Juliane Streich (Hg.): These Girls Too. Feministische Musikgeschichten. Ventil Verlag, Mainz 2022. Broschur, 304 Seiten, 20.- €(D). ISBN 9783955751692

Ich lese so etwas gern. Kurzbiografien über Künstler*innen, deren Leben und Wirken aus einem bestimmten Blickwinkel beleuchtet werden. Hier sind es die „Feministischen Musikgeschichten“ aus dem Ventil-Verlag „THESE GIRL TOO“ als Nachfolgeband von „THESE GIRLS“ (2019), nach dessen Erscheinen die Herausgeberin Juliane Streich festgestellt hat, dass es noch „so viele tolle, bemerkenswerte Musikerinnen da draußen gab und gibt, dass man ganze Bücherregale mit ihnen füllen sollte. Plattenregale sowieso. Ein zweiter Teil war also mehr als naheliegend.“

Der liegt nun vor mir, den ersten Band habe ich mir auch gleich in meiner Buchhandlung bestellt.

Feministische Musikgeschichten.

Eigentlich sollte es solche Bücher gar nicht mehr geben dürfen. Eine spezielle Geschichte der Frauen (nicht nur in der Musik) zu erzählen bedeutet ja, die Geschlechterrollen immer wieder in einer eigenen Historie zu beschreiben, statt sie zusammenzuführen, gemeinsam zu würdigen und zu interpretieren. Wir sind leider noch weit davon entfernt, dass die Geschichte der Menschheit als ein Strom von Ereignissen beschrieben wird, der nicht ein Geschlecht fokussiert, sondern alle Handelnden würdigt, in ihren Rollen, historischen Bedeutsamkeiten und Wirkungen.

Nun blättere ich also in diesem Buch herum, stoße auf bekannte Persönlichkeiten, deren Musik mir vertraut ist, lese mich da und dort fest, stoße an anderer Stelle auf irgendwann gehörte Namen, mit denen ich keinen speziellen Musikstil verbinden kann, dann folgen Künstlerinnen, die mir völlig unbekannt sind. Das Schöne an diesem Buch ist, dass man es nicht von vorne an bis nach hinten durchlesen muss, man kann es irgendwo aufschlagen, um Entdeckungen machen. Der Inhalt ist nach Jahrzehnten gegliedert, und für mich (der ich schon etwas älter bin) sind dann vor allem die hinteren Kapitel interessant, in denen es um Künstlerinnen geht, deren Musik ich durch begleitende Web-Ausflüge zum ersten Mal höre. Natürlich trifft nicht alles meinen musikalischen Geschmack, aber es erschließt sich eine „unerhörte“ Welt.

Juliane Streichs „feministische Musikgeschichten“ sind keine Anklage gegen das männerdominierte Musikbusiness. Sie machen ganz einfach aufmerksam auf die vielen Frauen – in Vergangenheit und Gegenwart –, die Musik spielen, sie gestalten und beeinflussen – und dennoch viel zu wenig beachtet werden. Erzählt wird von Frauen, die sich trotz allem durchsetzen wollten und konnten, aber auch von etlichen, die scheiterten und erfolglos blieben, obwohl ihr künstlerischer Einfluss nachweisbar ist. Aber nicht nur das. Berichtet wird auch von Musikerinnen, die ganz selbstverständlich eine Rolle im Business beanspruchen und einnehmen, ohne sich um Geschlechterzuweisungen zu kümmern, und damit – das erzählen jüngere Autorinnen – auch Rollenvorbilder erzeugen.

Female musicians matter, davon handelt dieses Buch, und das ist immer noch wichtig. Kürzlich erst fand das Doppel-Festival „Rock am Ring/Im Park“ statt, endlich wieder nach den Pandemie-Ausfällen. Voller Erfolg. Aber, wie schon in der Vergangenheit, gab es beklagenswert wenige Frauen auf den Bühnen. Warum? Das zu ergründen, wäre Gegenstand eines eigenen Buchs.

„These Girls Too“ handelt von Frauen, die Musik machen, nicht mehr, nicht weniger. Es ist ein tolles Buch, prallvoll mit interessanten, gut recherchierten Artikeln, Erzählungen und Erfahrungsberichten; es ist informativ, aber nicht trocken, und durch die Vielfalt der Schreibstile der Autor*innen auch unterhaltsam zu lesen. Ich bereue es nicht, mir den ersten Band auch gleich besorgt zu haben.

Auch wenn es solche Bücher eigentlich nicht geben müssen dürfte. Das sind feministische Musikgeschichten. Irgendwann wird es hoffentlich nur noch Musikgeschichten geben. Und das wird auch ein Verdienst von Büchern wie diesem sein.

 

 

Ein kleiner Nachtrag gilt dem Ventil-Verlag mit seiner gutsortierten und sorgsam editierten Sammlung über Musik und Popkultur. Nichts von wegen sogenannter Hochkultur, gottseidank! Das ist die Kultur, und es sind Nischen, die da ausgeleuchtet werden, und wie viel gibt es da zu entdecken! Allemal lohnt sich ein Blick in das Verlagsprogramm.

Und zum Schluss noch ganz persönlich: „Lieber Ventil-Verlag, bitten Sie doch Frau Streich, einen dritten Band von „These Girls“ herauszugeben.“

 

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