Schokoladenaufstrich
Geschichte von Fernand Muller-Hornick
Eigentlich habe ich ja nichts gegen Flüchtlinge, immerhin sind sie auch Menschen. Das sagt auch mein Mann. Wir sind alle Menschen, egal ob weiß oder schwarz oder schokoladenbraun, ob gelb wie die asiatischen Schlitzaugen, oder rot, wie die Indianer, die man ja nicht umsonst Rothäute nennt. Wie mein Mann und ich bereits sagten, es sind alles Menschen, auch die Flüchtlinge. Wer möchte schon gerne sein gemütliches Zuhause aufgeben, seine schöne Heimat verlassen, alles im Stich lassen, um in einem fremden Land Zuflucht zu suchen. Nein, nein, das Leben macht es einem nicht leicht.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Ihrem Schatz am Frühstückstisch, essen leckere Brötchen mit Erdbeermarmelade, meine Lieblingsmarmelade übrigens, plötzlich heißt es, es ist Krieg, rasch ein paar Sachen einpacken und versuchen, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Die wertvollen Sachen müssen Sie natürlich zurücklassen, wie das Silberbesteck zum Beispiel oder den Meissener Porzellan oder das Gemälde mit dem Sonnenuntergang in den Alpen, alles Erbstücke von Tante Gerda und Onkel Heinz, Gott habe sie selig.
Man darf sich das nicht vorstellen, verrückt, tieftraurig wird man bei diesem Gedanken. Unser Mitleid gehört den armen Flüchtlingen, ich denke an die Ukrainer, oder an die Iraker und Afghanen oder wie sie alle heißen. Aber, und das sollte man bedenken, es gibt ja hunderte Länder mit verschiedenen Nationalitäten, und wenn auch nur die Hälfte von all diesen Menschen zu uns kommen würden, na dann, gute Nacht, lieb Vaterland.
Aber man darf auch nicht so egoistisch sein. Menschlichkeit ist nämlich eine wahre Tugend, und wer anderen hilft, tut nicht nur den armen Flüchtlingen etwas Gutes, sondern auch sich selbst. Gutes tun und Barmherzigkeit zeigen stärkt nämlich das Selbstwertgefühl, sagt mein Mann. Man fühlt sich moralisch besser. Wenn ich einem Obdachlosen zum Beispiel eine fünfzig Cent Münze in seinen Pappbecher werfe, bedankt er sich, nickt vielleicht sogar freundlich mit dem Kopf wie der kleine Neger früher bei der Weihnachtskrippe, nur dass die in den Negerbauch geworfene Münze den armen Waisenkindern in Afrika half, durch die Taufe und das Weihwasser gute Christen zu werden, wogegen fünfzig Cent einem Obdachlosen die Möglichkeit geben, sich eine Semmel zu kaufen.
Mehr brauchen diese Menschen ja genau genommen nicht, sie sitzen den ganzen Tag auf dem Boden, machen keine körperlichen Anstrengungen, verbrauchen somit auch keine Energie, im Gegensatz zu uns Rentnern, die immerhin noch jeden Tag werkeln, sei es, im Garten Unkraut zu zupfen, den Rasen in Schuss halten, den Bürgersteig fegen und auch das Nachbarhaus im Auge behalten, es wird ja heutzutage dauernd irgendwo eingebrochen, alles Ausländer, diese Einbrecher.
Wie gesagt, die fünfzig Cent Münze für den Obdachlosen gibt einem ein besonderes Gefühl, nämlich, noch ärmeren Menschen geholfen zu haben. Genau so ist es mit den Flüchtlingen, man hilft ja gerne, wo man kann. Wenn der Aufruf einer sozialen Einrichtung erfolgt, für die armen Flüchtlinge zu spenden, wir verwehren uns nie. Noch neulich haben wir unsere Kleiderschränke geräumt, hatten wir sowieso vor, auch ohne Spendenaufruf, und alles unnötige, ausgewaschene und zerschlissene Zeug, das sowieso keiner mehr von uns anzieht, in zwei Plastiksäcke gepackt und zwecks Abholung auf den Bürgersteig gestellt.
Menschen, die praktisch nur ihre nackte Haut gerettet haben, sind dankbar für alles, sagt mein Mann und hat Recht, es muss nicht ein teurer Markenartikel sein. Noch letzte Woche haben mein Mann und ich einer der Tochter einer aus Eritrea stammenden Familie, so heißt es jedenfalls von offizieller Seite, ein Glas Schokoladenaufstrich von dieser berühmten Marke, Sie wissen schon, geschenkt. Das Glas war bereits halb angebrochen, ebenso die bereits angebrochene Tafel Schokolade mit Nuss, neuerdings vertrage ich überhaupt keine Schokolade mehr, die Leber und so, wissen Sie. Was glauben Sie? Hat sich das kleine Mädchen, ich schätze sie vier oder sieben Jahre alt, bei denen weiß man ja nie, wie alte sie sind, vielleicht wissen sie es nicht einmal selbst, dafür bedankt? Natürlich nicht.
Die Frau hat etwas gequatscht, was wohl deutsch sein sollte, aber eher wie chinesisch klang, und das Mädchen hat mich nur blöd angeschaut. Und dann hat die Frau die Wohnungstür zugemacht, und das war es dann auch schon. Die Wohnung war der Familie natürlich von der Gemeindeverwaltung zur Verfügung gestellt worden, um das klar zu stellen. Also gut, sagte ich zu meinem Mann, wenn denen unsere Geschenke nicht gut genug sind, können sie uns den Buckel runter rutschen. Dann esse ich die Schokolade doch lieber selbst, auch unter der Gefahr, krank zu werden, als dass ich sie an undankbare Flüchtlinge verschenke. Denen wird ja sowieso bereits genug Zucker in den Arsch geblasen.
Ich stimme meinem Mann vollends zu, man kann es nämlich auch übertreiben mit der Nächstenliebe. Ich meine unsere Herren Politiker. Die allermeisten von denen haben ja ein goldenes Herz, wenn das Thema Flüchtlingspolitik und humanitäre Hilfe angesprochen wird. Würde uns, die wir schließlich treue Staatsbürger sind, artig unsere Steuern und sonstigen Abgaben zahlen, die nie meckern, sondern alles geduldig ertragen, wie die teuren Mieten für feuchte, schimmelige Bruchbuden, auch nur halb so viel unter die Arme gegriffen wie den Flüchtlingen, hätte auch niemand etwas gegen diese Menschen.
Aber unsereins muss ja auch schauen, wo er bleibt und wie er das immer teurer werdende Leben meistert. Für uns sind das Brot und die Leberwurst ebenso teuer wie für die Flüchtlinge. Und kostet für uns genauso viel wie für die Kovalenkos oder Vasilenkos aus Mariupol oder Donezk oder wie die alle heißen. Nur, dass die alles, aber auch wirklich alles geschenkt bekommen, die Flüchtlinge. Und was bekommen wir? Sehen Sie, da fällt Ihnen auch nicht viel ein.
Um es noch einmal klipp und klar zu sagen, mein Mann und ich haben nichts gegen Flüchtlinge, man will ja nicht als ausländerfeindlich oder als Nazi bezeichnet werden, aber seien wir doch mal ehrlich: wird nicht ein bisschen zu viel an Nächstenliebe verbreitet? Migranten zu Tausenden und nochmals Tausenden ins Land nehmen, alles schön und nobel und unter der Flagge der christlichen Nächstenliebe noch edler, aber man kann es auch übertreiben, wirklich! Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen; wir haben nichts gegen Flüchtlinge, allein schon aus christlicher Nächstenliebe heraus, aber irgendwann hört der Spaß auf, verdammt noch mal.
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