Stark abgefallen

Hans Krieger, Apfelfall – Gedichte, mit Zeichnungen von Christine Rieck-Sonntag, Oreos Verlag, Waakirchen 2010, 111 S., ISBN 978-3-923657-94-0

Der Gedichtband „Apfelfall“ sprang dem Rezensenten in seiner Bad Tölzer Buchhandlung sofort wegen der Wertigkeit des Einbands, obwohl ein Taschenbuch, und der Zeichnung von Christine Rieck-Sonntag, die das Deckblatt ziert, ins Lyrikleserauge. Ein kurzes Einlesen in die ersten Gedichte verstärkte diesen guten Eindruck.

Der Schriftsteller und Publizist Hans Krieger, geb. 1933 in Frankfurt am Main, heute in München lebend, ist sicherlich nicht einer der bekannteren Autoren. Daher schien es angebracht, ihm trotz seines hohen Alters hier ein wenig Platz einzuräumen. Die liebevolle Ausstattung und Ausgestaltung des Bandes, das taktile Erleben des schönen, etwas dickeren Papiers, die gelungenen Grafiken erfreuen den Leser, der weiß, das Lesen eben auch etwas Sinnliches haben kann, wenn man nicht den eBook Reader bemüht. Die eine oder der andere sollen sogar am Buch riechen, um den Geruch der Druckschwärze zu erahnen.

Der Rezensent hat in seiner Studienzeit selbst noch mit einer Offset-Druckmaschine Flugblätter gedruckt. Da diese ausgeschlagene Lager hatte, war man danach vom Gürtel aufwärts schwarz, im wahrsten Sinne des Worts. Wer dann noch in seiner Lokalzeitung vom Erstellen der Seiten über Nacht den Bleisatz und den Druck miterleben durfte, die noch feuchte Tageszeitung morgens um halb vier in der Hand haltend, der kann erahnen, was „Print“ eigentlich bedeutet.

Doch zurück zum Band. Der erste Teil, „Mondesrot“, erfüllte die Erwartung in Gänze. Ja, der Autor kann dichten, zweifelsohne. Es macht Freude, die Wortkunststücke, mit denen er in die Alltäglichkeiten des Lebens hineinsteigt, zu lesen und den angeregten Gedanken zu folgen. Denn das soll Lyrik ja sein: Anstoßgeber, aus einer verdichteten Form Lebensweisheit, kluge Beobachtung schöpfend, damit der Leser sich so seine Gedanken machen kann und soll.

Der zweite, titelgebende, Teil, „Apfelfall“, ist dann der Sturz ins – quasi – Bodenlose. Hier verbreitet ein etwas ältlicher Zeitgenosse bräsig, einfallslos und vorhersehbar Anekdotisches aus seiner, so meint man sicherlich fälschlicherweise zu erkennen, nicht sehr reichhaltigen Denkwelt. Es ist ein wahres Trauerspiel, dass hier der Lektor keinen Einhalt ob der unendlichen Redundanzen, die sich gesamthaft auf maximal zehn Verse eindünsten ließen, geboten und dem Autor zugeraten hat, diese Texte im Wesentlichen doch lieber für sich zu behalten. Tipp: Einfach überspringen, wenn man den Band dennoch erwirbt.

Teil drei, „Klopfzeichen“, belegt wieder die Einschätzung, dass der Autor eben doch schreiben kann und Wichtiges zu sagen hat, wenn er auch nicht an Teil eins heranreicht. Der eine oder andere Text lugt über den Durchschnitt hinaus. Allerdings ist das, was da steht, nicht immer der „Bringer“, wie man heute sagt, aber wenigstens ordentlich. Das Gleiche kann auch für den vierten Teil „Marimba“ gesagt werden. Jedoch fragt man sich, warum diese Reiseeindrücke an den Band drangepappt werden mussten; irgendwie wollen sie nämlich inhaltlich nicht recht zum Bogen passen, den der Band in den ersten drei Teilen spannt. Aber gut, ein, zwei, drei richtig gute Texte machen es dann schon aus, weil ja der zweite Teil so erheblich abfällt.

Der Unterzeichner outet sich insofern, als dass er mit den meisten Lautgedichten nicht wirklich etwas anfangen kann. Das soll diese experimentelle Form gewiss nicht abqualifizieren. Dennoch stellt sich auch für den fünften Teil „Niemandslaut“ die Frage, warum er eigentlich in diesem Band erscheint.

Insgesamt bleibt also ein sehr zwiespältiger, insgesamt schließlich doch noch knapp positiver Eindruck zurück, der durch den sehr unterdurchschnittlichen zweiten Abschnitt entscheidend eingefärbt wird. Man möchte dem Verlag raten, das nächste Mal bei seinem Zugpferd Hans Krieger sorgfältiger zu lektorieren und lieber einen Band zu verlegen, der etwas dünner, dafür aber inhaltlich ausgewogener ist. Ausstattung, Druck und die Liebe zum äußeren Detail ebenso wie die Qualität der Grafiken hätten das verdient gehabt.

Netfinder:
Zum Autor
http://www.oreos.de/
http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Krieger
Zur Graphikerin
http://www.crs-art.de/

Weltweitweb, im Mai 2013

Walther

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