Vogelfrei – der Buchladen für Selfpublisher:innen
Ein Artikel von Dario Schrittweise
Dennis Hoffmann hat am 04.04.24 im Berliner Stadtteil Neukölln einen Pop-up-Buchladen für Selfpublisher:innen eröffnet. Der Berliner Schriftsteller und Selfpublisher hat die Buchhandlung „Vogelfrei“ genannt. Der Pop-up-Buchladen öffnet jeden Donnerstag in einem Kiezkiosk seine Tore. Den ehemaligen Kiosk stellt der gemeinnützige Verein „Open Tiny“ dem Kiez kostenfrei für kreative und soziale Zwecke zur Verfügung.
Dennis Hoffmann, Jahrgang 1978, hat bildende Kunst, Theaterpädagogik und Journalismus studiert. Er hat 2022 seinen Roman „Heilige Kühe“ veröffentlicht.
Da ich meinen Erzählband „Kaleidoskopische Welten“ auch im Kiezkiosk auslege, bin ich aus Nürnberg angereist, um Dennis zu treffen. Ich verlasse die S-Bahn-Station „Sonnenallee“ und nach einem kurzen Spaziergang betrete ich den kleinen Kiezkiosk in der Treptower Straße 84.
Der Kiosk ist schmal, mit einem Ausstellungsraum im Eingangsbereich. Auf den beiden Klapptischen hat Dennis Bücher der Selfpublisher:innen, Brettspiele, Schallplatten und andere Kunstwerke ausgelegt. Dennis und ich beschließen spontan, ein Interview zu führen.
Dennis erzählt mir von der Idee hinter der Pop-up-Buchhandlung. Zuerst habe er geplant, einen Buchladen mit gebrauchten Büchern zu eröffnen, doch das sei ihm zu einfallslos gewesen. Dann sei ihm die Idee mit der Buchhandlung für Selfpublisher:innen gekommen. Aber er hätte den Einfall gar nicht erst gehabt, wenn er nicht die Möglichkeit hätte, den Kiezkiosk zu nutzen. Seine Frau habe hier einen Kinderschachclub gegründet und so sei er darauf gekommen.
„Die Idee ist“, so Dennis Hoffmann „einen Spiegel für die versteckte Kreativität anzubieten und diese sichtbar zu machen. Hier gibt es tatsächlich Werke, die man so nirgends bekommt. Zudem verstehe ich ein Buch als eine Gesprächsmaschine. So erfährt man hier von Menschen und hat Einblicke in die Welten anderer Leute.“
Jeder, der selbst verlegt, kann im Vogelfrei seine Werke zum Kauf anbieten. Er wählte auch nicht aus, denn solange Platz vorhanden ist, hat jede:r die Chance, hier sein Werk vorzustellen.
Alle zwei Wochen finden im Buchladen Lesungen der teilnehmenden Selfpublisher:innen statt. Die Lesungen sind für Dennis Hoffmann eine gute Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Er hofft, dass mithilfe der Bücher eine Vernetzung stattfindet, eine Zusammenarbeit, und dass synergetische Effekte zu neuen Projekten führen.
Meine Frage, ob die Besucher:innen Vorurteile oder Berührungsängste bei Selfpublisher:innen hätten, verneint er, denn: „Oft unterstellt man den Selfpublisher:innen, dass sie keinen Verlag gefunden haben, weil der Text nicht so gut ist. Ich habe alle Bücher angelesen und es ist so, dass die Autor:innen, bevor sie ein Buch veröffentlichen, sicher sein wollen, dass es lesbar und verständlich ist. Sie machen sich dementsprechend Mühe.“ Zudem ergänzt er, dass er hier kein Buch gefunden habe, das in seinen Augen von der Qualität her unter dem Niveau von Verlagsbüchern liege.
Später gibt er mir einige Anekdoten preis. Einmal hielt jemand die Buchhandlung für eine Partneragentur. Er hatte vermutlich die als Überraschungen in Zeitungspapier verpackten Bücher mit der Aufschrift „Blind Dates“ gesehen. Doch diese Bücher seien „Schicksalsbegegnungen“, so Hoffmann, weil die Käufer:innen nicht wüssten, was sie bekämen. Später habe einer etwas klauen wollen. Dem sei es vermutlich auch egal gewesen, was.
Ansonsten hielten es die Leute für eine super Idee. Das, was hier passiert, sei genau das Gegenteil von dem, was im virtuellen Raum geschehe. Hier habe er viele gepflegte, offene Gespräche, über Themen unserer Zeit. Auch über Tabuthemen.
„Es ist ein Ort der Begegnung“, so Hoffmann. „Wenn wir eins zu eins miteinander reden, ist es unser letztes Refugium, dann erfahren wir uns als Menschen. Dann tauscht man sich eben aus. Das ist eine große Bereicherung und ich möchte mit diesem Laden auch erreichen, dass das nicht aufhört.“
Zum Schluss erklärt er mir seinen Wunsch: „Dass es eine Institution wird. Die Utopie wäre, dass es eines Tages in jedem Kiez einen Laden gibt, in dem die Nachbarschaft ihre versteckten Schätze vorstellen kann.“
Darüber hinaus freue er sich, wenn mehr Leute und insbesondere Selfpublisher:innen vom Buchladen erfahren würden. Er hoffe, von Sachen inspiriert zu werden, von denen er nicht einmal wisse, dass man sie selbst verlegen könne. Die elfjährige Tochter von einem Freund macht ihre Limonade selbst. Und das sei auch schon eine Geschichte für sich.
Am Ende packt Dennis Hoffmann den Buchladen zusammen. Hier sieht man, dass es ein Pop-up-Laden ist. Alles passt in kleine Kartons. Ich verabschiede mich von Dennis und kehre zur S-Bahn-Station „Sonnenallee“ zurück.
Kontaktmöglichkeit
Selbstverleger:innen, Hybridautor:innen (mit ihrem selbst verlegten Buch) und Autor:innen von Kleinstverlagen, die mitmachen möchten, können gerne eine E-Mail an Dennis Hoffmann schreiben: parias.buecher@gmail.com.
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