Mara Laue: Von der Idee zum fertigen Text VSS Verlag

Von der Kunst des Prosaschreibens – Das Finden eines zündenden Titels: eine Kunst für sich

Kluge Hinweise von Mara Laue

Der Titel ist neben dem Titelbild das Erste, was potenziellen Kaufinteressierten in der Buchhandlung ins Auge fällt. Viele Leute kaufen ein Buch, weil der Titel sie anspricht. Gerade deshalb müssen wir ihm besondere Aufmerksamkeit widmen. Andererseits fällt die endgültige Entscheidung für einen Titel erst ganz am Schluss, wenn das Werk fertig ist, weil er letztendlich vom Verlag festgelegt wird.
Viele Schreibende haben das Glück, dass ihre erste Titelidee, der sogenannte „Arbeitstitel“ am Ende auch bleibt und sogar vom Verlag akzeptiert wird. Andere wiederum tun sich schwer, für ihr Werk die passende Überschrift zu finden. Manchmal fällt auch Schreibenden, die ihre Geschichten/Romane normalerweise mit dem Titel beginnen, bei einem Werk erst spät(er) das Passende ein. Gerade beim Titel gilt die Prämisse der Originalität: Ein Titel, der Dutzenden anderen Titeln ähnelt, ist weniger „wert“ als ein ausgefallener. Es gibt Statistiken, in denen die Häufigkeit der einzelnen Wörter in Romantiteln aufgelistet ist. Zwar variiert die Rangfolge je nachdem, wer diese Statistik in welchem Jahr erstellt hat, aber die am häufigsten vorkommenden Begriffe sind:

  • Nacht
  • Mord/Mörder/Mörderisch(e/r/s)
  • Geheimnis(se)
  • Liebe
  • Tod/Tote(r)/Tot/Tödlich(e/r/s)

Das heißt natürlich nicht, dass wir sie nicht verwenden sollten oder dürften, aber wenn wir das tun, sollten sie in einem originellen Zusammenhang stehen. „Geheimnis(se) der Nacht“ ist ein nichtssagender Titel, da wir die Nacht per se als etwas Geheimnisvolles empfinden (sofern wir uns nicht vor ihr fürchten). Zudem klingt er zu sehr nach dem Klischee eines schwülstigen Liebesromans, auch wenn sich vielleicht kein solcher dahinter verbirgt. Und allein im Deutschen tragen mehrere Hundert (!) Kriminalromane einen Titel, der mit „Tod an/auf/bei/in/im/um …“ bzw. „Der/Die Tote von/vom/aus/im …“ beginnt. „Am Montag schlich der Tod ums Haus“ klingt dagegen originell. Jedoch lieben Verlage immer noch die „Tod“-Titel und halten sie sogar für sehr verkaufsträchtig. Stimmt. Aber deshalb muss man sich nicht auf „Tod an/auf/bei/in/im/um …“ und „Der/Die Tote von/vom/ aus/im …“ versteifen, sondern kann und sollte den Tod etwas origineller verpacken, um das eigene Buch schon vom Titel her unverwechselbar zu machen, sofern der Verlag nicht anders entscheidet, denn ihm obliegt die alleinige „Titelhoheit“ (und die ist im Vertrag festgeschrieben).
Zu beachten ist auch, dass der Titel zum Inhalt und vor allem zum Genre passt. Hinter dem Titel „Die Eisprinzessin“ (von Astrid Arnold) würde wohl kaum jemand einen Kriminalroman vermuten, in dem es um eiskalte Rache geht, und in „Blutportale“ (von Markus Heitz) keine Liebesgeschichte. Bedenken wir bei der Wahl unseres Titels deshalb immer, welches Lesepublikum wir ansprechen wollen. Idealerweise lässt der Titel bereits das Genre erkennen.

Nehmen wir an, in der Geschichte oder dem Roman geht es um einen reichen Mann, dessen Familie erst nach seinem Tod erfährt, dass er in Afrika eine uneheliche Schwarze Tochter hat, der er einen Teil seines Vermögens vermacht hat. Diesen Plot können wir unterschiedlich ausarbeiten: als Krimi, als Liebesgeschichte, als humorvolle Geschichte. Sogar als Fantasy- oder Science-Fiction-Roman würde er taugen, wenn wir Afrika und die Schwarze Tochter durch eine Fantasywelt und ein darin beheimatetes Volk oder einen fremden Planeten und Aliens ersetzen.
Einen Krimi nennen wir vielleicht „Gefährliche Erbschaft“. Dahinter vermutet höchstwahrscheinlich niemand einen Liebesroman. Kaum jemand auf der Suche nach romantischem Lesefutter würde diesem Buch einen näheren Blick gönnen. Ist es ein Liebesroman, könnten wir ihn „Die afrikanische Erbin“ nennen oder „Seine/Eine afrikanische Liebe“; je nachdem, ob wir darin die Liebesgeschichte des Vaters zur Mutter seiner Tochter in den Vordergrund stellen oder die Liebe, die die Tochter findet, als sie das Erbe ihres Vaters in seiner Heimat antritt. Zu einer humorvollen Geschichte würde zum Beispiel der Titel „Erben auf Afrikanisch“ passen. Fantasy: „Die Erbin aus dem Elfenland“; Science Fiction: „Seine/Die Tochter vom Mars“.

Diese Beispiele zeigen, dass schon der Titel in fast allen Fällen eindeutig verrät, zu welchem Genre der Inhalt gehört und das entsprechende Lesepublikum anspricht.
Langatmige Titel sollten wir nach Möglichkeit vermeiden und auch auf nichtssagende kurze verzichten. „Tod“ – und weiter? Welcher Inhalt verbirgt sich dahinter? Vom Sachbuch über den Tod über eine Satire vom Tod als Person bis zum Krimi könnte alles drinstecken.

Des Weiteren sollte der Titel leicht auszusprechen und leicht zu behalten sein. Bei „Die Rathad na h-Atha Verschwörung“ brechen sich die Lesenden nicht nur die Zunge ab, wenn sie nicht wissen, wie das ausgesprochen wird (nämlich ra’ad na a’a = „Straße der Furt“; eine Straße in der Stadt Broadford auf der Insel Skye). Sie haben den unaussprechlichen Titel schnell vergessen und das Buch ebenso, wenn sie es nicht sofort nach der Entdeckung gekauft und gelesen haben. Außerdem gibt es erhebliche Probleme, wenn sie das Buch in der Buchhandlung bestellen wollen und dem dortigen Personal nicht buchstabieren können, wie man den „unaussprechlichen“ Titel schreibt. Die Suchmaske für das Verzeichnis lieferbarer Bücher ist leider nicht so optimiert wie Internetsuchmasken, die anhand von auch rudimentären oder falsch geschriebenen Wörtern errechnen, wie es korrekt heißen könnte. Wenn die Lesenden dann nach dem Buch „Die Rad na Ah Verschwörung“ suchen lassen, die korrekte Schreibweise aber nicht buchstabieren können, wird die Buchhändlerin/der Buchhändler das Buch nicht finden, und die interessierten Lesenden können es nicht kaufen, weshalb sie sich dann anderen Büchern mit „leichteren“ Titeln zuwendet.

Darüber hinaus sollte der Titel einen guten Sprachrhythmus haben und darf gern Alliterationen enthalten. (Alliteration ist die Wiederholung gleicher Anfangsbuchstaben oder Silben: „Milch macht müde Menschen munter“.) „Am Montag schlich der Tod ums Haus“ klingt erheblich melodischer und ist deshalb einprägsamer als „Der Tod schlich am Montag ums Haus“. Wenn wir beide Varianten laut aussprechen, hört man deutlich den Unterschied. Auch solche scheinbaren Kleinigkeiten entscheiden darüber, ob ein Titel vom Verlag akzeptiert wird und die Lesenden das Buch später kaufen.

Zu beachten ist auch, dass der Titel nicht das Ende der Geschichte bereits vorwegnimmt. Ein Beispiel für so einen schlecht gewählten Titel ist eine Folge aus der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“. Der Originaltitel lautet „Devil in the Dark“ (Der Teufel im Dunkeln). Am Ende des Films erfährt man, dass der vermeintliche, in den dunklen Höhlen eines Planeten lebende „Teufel“ das letzte (weibliche) Wesen einer intelligenten Spezies namens Horta ist, das seine Eier mit den noch ungeschlüpften Jungen gegen die menschlichen Eindringlinge verteidigt hat, ansonsten aber ganz friedlich ist. Der deutsche Titel „Horta rettet ihre Kinder“ ist nicht nur unglaublich einfallslos, sondern verrät die Auflösung bereits und nimmt dem Film dadurch nahezu komplett die Spannung.
Umgekehrt sollte selbstverständlich sein, dass der Titel in direktem Bezug zum Inhalt des Buches steht, auch wenn sich die Relevanz erst am Ende des Buches offenbart. So heißt ein Inspector-Wexford-Krimi von Ruth Rendell „Simisola“ (deutscher Titel „Die Besucherin“). Darin geht es unter anderem um den Mord an einem zunächst namenlosen afrikanischen Mädchen. Erst ganz am Schluss erfährt man, dass Simisola der Name des toten Mädchens ist. Rückblickend hat aber jedes Detail der Haupthandlung einen direkten Bezug zu der Toten, zu Simisola, weshalb der Titel äußerst passend ist. Weil das aber erst am Ende herauskommt, erhält sich über das ganze Buch hinweg die Spannung, was es denn mit dem seltsamen Titel auf sich hat.
Ein wunderbar klingender Titel, der am Buchinhalt vorbeigeht, fällt in die Kategorie „Thema verfehlt“ und enttäuscht die Lesenden.

Titelfindung

Um einen guten Titel zu finden, haben wir eine Menge Auswahlmöglichkeiten.

  1. Sprichwörter und Zitate oder Teile davon oder deren Umkehrung/Verballhornung: „Wer andern eine Grube gräbt“, „Der werfe den ersten Stein“, „Du sollst nicht töten“, „Morgenstund’ hat Pech im Mund“, „Wer einen Tiger reitet“. Rechtlicher Hinweis: Wenn wir Zitate verwenden, bei denen es sich nicht um allgemeine Sprichwörter handelt, sondern solche, die einer speziellen Person zugeschrieben werden (können), z. B. Albert Einstein oder Nina George, müssen wir auf das Urheberrecht achten. Das heißt, wir müssen die Genehmigung derjenigen einholen, die diese Worte/Sätze erfunden haben und sie um Erlaubnis fragen. Oder deren Erben, falls sie bereits verstorben sind, denn das Urheberrecht erlischt erst 70 Jahre nach dem Tod der Erschaffenden. Wenn wir z. B. eine Zeile aus einem Lied oder anderen Text zitieren und dieses einem Kapitel als eine Art Überschrift voranstellen wollen, ist dafür ebenfalls immer zwingend die Genehmigung der Liedtextdichtenden bzw. der Verwertungsberechtigten (Verlag oder bei Musik herausgebender Musikverlag) erforderlich. Innerhalb eines Textes dürfen wir unter Nennung der Urhebenden einzelnen Zeilen oder Lied- oder Gedichtstrophen genehmigungsfrei zitieren.
  2. Der/die Name/n der Hauptperson/en, wenn es sich um einen Entwicklungsroman, biografischen Roman oder eine Familiensaga handelt, in denen es um die Entwicklung oder das Schicksal einer Person oder einer Familie oder deren Chronik geht: „Anna Karenina“, „Die Brüder Karamasow“, „Pole Poppenspäler“, „Die Sopranos“.
  3. Die Bezeichnung eines Gegenstandes, eines Berufes, einer Menschengruppe, eines Ortes oder eines Landes, um das es in der Handlung geht: „Mexiko“, „Schloss Drachenburg“ „Illuminati“, „Das Amulett“, „Das kupferne Zeichen“, „Die Firma“, „Die Akte“, „Shogun“, „Das Marmorbild“, „Die Wanderhure“.
  4. Ein Satz, Halbsatz, Wort oder eine Beschreibung, die den Inhalt nennt oder andeutet: „Einer kam durch“, „Als Unku Edes Freundin war“, „Ich hätte nein sagen können“, „Spurlos“.
  5. Ein Rätsel, dessen Auflösung der Roman bringt: „Ipcress – streng geheim“, „Das Mercury-Puzzle“, „Da Vinci Code“.
  6. Ein Wort oder ein Satz direkt aus dem Roman, das/der einen wichtigen Hinweis gibt oder eine andere Schlüsselfunktion hat: „Ich hätte nein sagen können“, „Elefanten vergessen nicht“, „Vergebt mir meine Schuld“.
  7. Oder ganz klassisch eine auf wenige Worte zusammengestauchte Beschreibung des Themas, die idealerweise originell formuliert ist: „Ich schenk dir meinen Mann“, „Liebe, Sünde, Tod“, „Kleine Betriebsstörung“ (mit großen Folgen, wie sich die Lesenden schon durch den Titel denken können, andernfalls eine „kleine“ Betriebsstörung kein Stoff für einen ganzen Roman wäre), „Entscheidung im Nebel“.

Ansonsten ist nahezu alles als Titel erlaubt, solange es zum Inhalt sowie zum Genre passt und möglichst originell ist. Außerdem muss der Titel die angepeilte Zielgruppe ansprechen. Für einen Roman für Erwachsene, der zum Beispiel einen Titel trägt, der wie eine Märchenüberschrift klingt, werden sich aufgrund dieses Titels kaum Erwachsene interessieren, sofern sie kein Märchen lieben.

Allerdings sollten wir nicht an unserem Titel „kleben“, wenn wir unser Werk einem Verlag einreichen. Sollte es Gnade vor den Augen des Verlages finden, legt der den Titel fest. Je origineller wir ihn gewählt haben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Verlag ihn übernimmt. Um zu überprüfen, ob es den von uns geplanten Titel schon gibt, geben wir ihn z. B. bei Google in die Suchmaske ein, ebenso bei Online-Buchhändlern. Gibt es einen Treffer, dann existiert er schon und wir müssen einen anderen suchen.

WICHTIG:

Existiert bereits ein Buch mit dem gewünschten Titel auf dem Markt, dürfen wir ihn nicht mehr verwenden. In dem Fall gilt der erste Titel als geschützte Marke nach § 5 und § 15 des Markenrechtes. Hier gilt das alte Sprichwort, dass wer zuerst kommt, auch zuerst mahlt. Der erste Verlag, der ein Buch mit diesem Titel herausgibt, hat das alleinige Recht zur Verwendung dieses Titels. Von dieser Regel ausgenommen sind nur allgemeine Begriffe wie zum Beispiel Zahlen oder die Bezeichnung von Gegenständen oder Tieren. „Sieben“ (von Mark Frost) ist kein geschützter Titel. „Sieben Schwestern“ (von Earlene Fowler) ist es dagegen sehr wohl.

Eine weitere Ausnahme gibt es bei Serientiteln. Man darf durchaus einen bereits existierenden Einzeltitel für eine Serie benutzen, aber nur, wenn der Serientitel über oder unter dem jeweiligen Haupttitel des Romans steht. In dem Fall gelten Haupt- und Serientitel als eine Einheit, die wegen des Serientitels nicht identisch ist mit dem gleichnamigen Einzeltitel. So darf man ruhig ein Buch aus der Serie „Die Akalon-Dynastie“ ebenfalls „Sieben Schwestern“ nennen, denn in dem Fall lautet der „Gesamttitel: „Die Akalon-Dynastie (Band) 3: Sieben Schwestern“. Doch auch in so einem Fall sollte man sich besser etwas Eigenes einfallen lassen, um zu hundert Prozent auf der sicheren Seite zu sein und vor allem einen unverwechselbaren Titel zu haben.

Manche Neulinge wollen, um ihren tollen Titel zu sichern, ihn „gesetzlich schützen“ und ihn als „geschützten Titel“ = als Marke eintragen (patentieren) lassen, noch bevor der Roman geschrieben und veröffentlicht ist, damit niemand anderes ihn ihnen wegschnappen kann. Grundsätzlich ist das völlig unnötig. Siehe oben: Sobald der Titel veröffentlicht ist, ist er bereits geschützt. Kommt jemand ihnen zuvor, hat diese Person alle Rechte am Titel. Außerdem kostet eine Markenanmeldung Geld, und zwar 300 Euro (Stand 2020) pro Marke.
Außerdem kann man auf die Weise nicht verhindern, dass jemand anderes den Titel benutzt. Denn alle Autorinnen/Autoren und auch Verlage geben einen Titel in die Suchmaschine im Internet ein (oder nur bei Amazon als größtem Online-Buchhändler), um festzustellen, ob er schon existiert. Ein vorab als Marke eingetragener Titel existiert noch nicht, also wird er nicht gefunden und der gewünschte Titel verwendet. Man kann also nur im Nachhinein feststellen (durch Erscheinen des Buches), dass der eigene geschützte Titel verwendet wurde und, um das zu ahnden, den Klageweg beschreiten, was Zeit und Geld kostet. Zu dem Zweck muss man aber selbst ständig ein Auge auf die Titel der Neuerscheinungen haben, und das kostet ebenfalls Zeit. Am Ende wird der markenrechtsverletzende Verlag „nur“ dazu verdonnert, den Titel vom Markt zu nehmen und das betreffende Buch unter einem anderen Titel zu veröffentlichen, wodurch er zig Tausend Euro Verlust hat. Und das nur, weil jemand unbedingt einen Titel für sich haben wollte, obwohl er/sie das Buch noch nicht mal (fertig) geschrieben hatte. Da ist es erheblich einfacher für alle Beteiligten, sich einen neuen Titel einfallen zu lassen.

Davon abgesehen: Manchmal ändert sich die Story im Verlauf des Schreibens, sodass der ursprünglich tolle Titel nicht mehr passt oder einem ein viel besserer einfällt. Oder der Verlag findet den tollen Titel gar nicht toll und nimmt einen anderen. Hat man sich den Titel als Marke patentieren lassen, hat man 300 Euro zum Fenster rausgeworfen. Sobald ein Buch veröffentlicht ist, IST dessen Titel rechtlich geschützt (von oben genannten Ausnahmen abgesehen) und macht eine gesonderte Patentierung überflüssig.

Wichtig ist, dass der Titel „Unterscheidungskraft“ besitzt, um geschützt zu sein. Auf „Sieben“ trifft das ebenso wenig zu wie auf ein Buch mit dem Titel „Mondschein“ oder „Heinrich VIII.“. Erst ein Zusatz wie „Sieben Schwestern“, „Küsse im Mondschein“ (Stephanie Laurens) oder „Heinrich VIII. Mein Leben“ (Margarete George) machen den Titel unterscheidbar und unverwechselbar. Ist der Titel nur wenig verändert wie zum Beispiel „Die sieben Schwestern“ statt „Sieben Schwestern“, beurteilen manche Gerichte das bereits als Benutzung eines geschützten Titels, da die Ähnlichkeit und damit eine mögliche Verwechslung mit dem Original zu groß ist.
Grundsätzlich sollten wir deshalb gerade beim Titel darauf achten, individuell, originell und unverwechselbar zu sein, denn der Titel ist die „Eintrittskarte“ zu den Lesenden.

So wird’s gemacht

Wie gehen wir am besten vor, um einen passenden Titel für unser Werk zu finden? Hierfür sollten wir uns am Kernpunkt der Geschichte orientieren. Wer oder was steht im Mittelpunkt? „Taugt“ der/die/das für einen Titel? Oder möchten wir die „Botschaft“ der Geschichte, des Romans als Titel nehmen (z. B. „Wer andern eine Grube gräbt…“)?
Beim o. g. Beispiel mit der unaussprechlichen Verschwörung ist es eben diese Verschwörung, die die gesamte Handlung bedingt mit allen ihren Konsequenzen, Konflikten, Nebenplots usw. Deshalb hat sie als Titel ihre Berechtigung, denn der gesamte Roman, die Story handelt von ihr. „Die Verschwörung“ allein wäre allerdings zu nichtssagend und ohne „Alleinstellungsmerkmal“. Sie braucht also einen Zusatz: „Die Verschwörung der Neun“, „Die Whisky-Verschwörung“, „Verschwörung im Nebel“, „Die Jupiter-Konspiration“. Wir können auch die „Verschwörung“ durch einen anderen Begriff ersetzen oder sie anderweitig umschreiben: „Der Pakt der Neun“, „Ein teuflisches Komplott“, „Die Korbacher Intrige(n)“.

Wenn wir die Hauptfigur der Geschichte in den Mittelpunkt stellen, sollten wir nicht nur deren Namen als Titel wählen. Das eignet sich bei modernen Romanen nur, wenn die Geschichte von deren (fast) gesamten Leben handelt oder – wie oben bei „Simisola“ – jede Handlung einen direkten Bezug zu ihr hat. Doch auch dann ist es für die Lesenden interessanter, wenn der Name mit einem für das Leben dieser Figur wichtigen Ereignis verknüpft ist. Nur „Das Leben der/des N.N.“ klingt zu sehr nach Biografie und ist dafür gut geeignet, wenn auch wenig originell. („Ein skandalöses Leben“, wie die Biografie der Lady Jane Digby lautet, ist dagegen spannend.) „Vincents Reise durch die Finsternis“ wäre schon origineller und interessanter. „Miras Albtraum“, „Johnnys blutige Träume“, „Sybillas chinesische Liebe“, „Monas Entscheidung“, „Kendras Weg zurück“ wecken für das entsprechende Lesepublikum Interesse.

Wenn der Mittelpunkt und Kernpunkt unserer Geschichte die am Ende als Schlussfolgerung stehende Aussage ist (wie „Wer andern eine Grube gräbt“), sollten wir darauf achten, dass wir mit der Titelwahl nicht zu viel verraten oder die Lesenden den erhobenen Zeigefinger mahnender Autorinnen/Autoren „sehen“. Bei der Titelwahl dürfen wir gern geheimnisvoll sein (aber bitte ohne das Wort „Geheimnis“ oder „geheimnisvoll/e/r/s“ bzw. „Rätsel/rätselhaft/e/r/s“ zu verwenden): „Das Mercury-Puzzle“, „I.P.K. minus drei“.
Auch scheinbare Widersprüche erwecken das Interesse der Lesenden: „Brennendes Wasser“, „Die Sarg-Tänzer“, „Die Hitze des Mondes“, „Eine Liebe im Hass“. Hass und Liebe schließen einander nach allem, was Menschen wissen, aus (und „Hassliebe“ ist weder das eine noch das andere). Der Mond ist eiskalt, nicht heiß, auf oder mit einem Sarg tanzt man nicht und Wasser kann nicht brennen, wenn es wirklich nur Wasser ist. Oder doch? In der Hoffnung auf Aufklärung des Widerspruchs werden die Kaufinteressierten sich als Nächstes den Klappentext ansehen. Und wenn ihnen der nicht allzu viel verrät, aber ihre weitere Neugier weckt, werden sie das Buch wahrscheinlich kaufen.
Spielen wir mit unseren Möglichkeiten!

Was aber tun wir, wenn uns trotz all dieser Möglichkeiten absolut rein gar nichts einfallen will? Wir haben unserer Datei, in der wir den Roman, die Geschichte geschrieben haben, einen Namen gegeben, der in irgendeiner Form mit dem Inhalt zu tun hat. Vielleicht können wir den zu einem appetitanregenden Titel erweitern. Wenn nicht, dampfen wir die Prämisse, den Kernpunkt der Geschichte zunächst auf nur einen einzigen Satz ein. Hierfür ist von Vorteil, wenn wir uns bereits beim Plotentwurf mit der Prämisse unserer Geschichte, intensiv beschäftigt und sie ausformuliert haben. Auch wenn wir zunächst einen ganzen Absatz für die Kernaussage brauchen, können wir die verkürzen und verknappen, bis ein einziger Satz übrig bleibt (der normal lang und kein „Bandwurmsatz“ sein sollte). Diesen fassen wir in einem aussagekräftigen Schlagwort zusammen.

Falls auch diese Herangehensweise nicht helfen sollte, fragen wir uns, welche Sache – nicht unbedingt Handlung – eine wichtige Rolle spielt. Liebesromanautorin Petra Schier wählt für einen Teil ihrer Romane, deren Kennzeichen ist, dass Hunde als „Liebesvermittler“ eine wichtige Rolle spielen, Titel wie „Körbchen mit Meerblick“, „Vier Pfoten am Strand“ oder „Die Liebe gibt Pfötchen“. Im Roman spielt das Körbchen überhaupt keine Rolle, und einen Meerblick hat es auch nicht, aber es ist ein Symbol für Heimat und Wohlgefühl/Urlaub sowie Glück. Die „vier Pfoten“ laufen eher selten am Strand, und die Handlung spielt sich dort auch nur wenig ab, aber der zu den Pfoten gehörende Hund ist der Grund, dass die künftigen Liebenden einander überhaupt kennenlernen. Und die Liebe selbst gibt zwar kein Pfötchen, weil sie gar keins hat, doch der Hund, dem die Pfote gehört, hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass das Liebespaar zusammenfindet.
Auch in unserem Roman, für den uns kein Titel einfallen will, gibt es mit Sicherheit etwas, das wir „symbolisch verfremden“ können (wie Heimat als Körbchen und Wohlbefinden und Glück als Meerblick zu definieren). Ansonsten gilt: Hauptsache, wir haben einen Titel, wenn wir unser Manuskript den Verlagen einreichen. Sollte der dort nicht gefallen, wird man schon einen finden.

Nebenbei: Keine Panik, wenn der Text fertig ist, wir aber immer noch keinen Titel gefunden haben. Der fällt einem manchmal erst Wochen oder sogar Monate später ein. Das Schreiben einer Geschichte/eines Romans muss nicht mit dem Titel beginnen. Manche Romane haben das Licht der Welt als ein einziger Satz mitten aus einer Szene heraus erblickt, wurden mit dem Schluss begonnen oder in „Puzzleteilen“ (einzelnen Szenen, Dialogen, Sätzen) geschrieben, deren Lücken erst ganz zum Schluss geschlossen wurden. Der Titel kam irgendwann nebenbei. Falls alle Stricke reißen, fragen wir Testlesende, wie sie diese Geschichte nennen würden. Unter den Vorschlägen, die wir bekommen, ist garantiert etwas Brauchbares dabei.

In der nächsten Folge:

Die Kurzgeschichte: eine schwierige Kunst

In weiteren Folgen:

  • Die Kurzgeschichte
  • Das Exposé
  • Schreiben von Klappentexten
  • Manuskriptnorm und Verlagsanschreiben

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