Von der Kunst des Prosaschreibens – Dialoge, eine Kunst für sich
Kluge Hinweise von Mara Laue
1. Einführung
Der Dialog (Zwiegespräch) ist eine Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen. Seine Aufgaben sind:
- die Lesenden mit Informationen zu füttern, die für die gegenwärtige oder künftige Handlung relevant sind,
- die Handlung voranzutreiben,
- Konflikte zu entwickeln (das beste Beispiel hierfür ist ein handfester Streit zwischen den Dialogbeteiligten),
- zur (äußerlichen oder innerlichen) Charakterisierung einer/mehrerer Person/en beizutragen,
- Rückblenden zu „verpacken“.
Jeder Dialog, der keines dieser Kriterien erfüllt, ist überflüssig und sollte gestrichen werden. Solche sinnlosen Dialoge, die zu nichts führen, nennt man „statische Dialoge“ (besser bekannt unter ihren umgangsprachlichen Namen: „Blabla“ und „Gelaber“).
Leider haben Dialoge den Hang, sich zu verselbstständigen, sodass sie, ehe wir uns versehen, in ein nichtssagendes und die Lesenden langweilendes „Blabla“ abdriften. Beim Überarbeiten unserer Texte sollten wir deshalb gerade bei den Dialogen besondere Sorgfalt walten lassen und alles Überflüssige streichen. Eine bewährte „Probe aufs Exempel“ ist, die Dialoge laut zu lesen, und zwar so, als würden wir sie tatsächlich mit jemandem führen. In der Regel erkennt man dabei schnell, ab welchem Punkt die Dynamik fehlt und der Inhalt belanglos wird.
Gute Dialoge leben allerdings nicht nur von dem, was sie konkret ausdrücken, sondern auch vom sogenannten Subtext, also dem, was „zwischen den Zeilen“ gesagt und angedeutet wird.
Beispiel:
„Hast du denn keine Angst?“
„Ich? Nee, ich habe vor nichts Angst, worauf ich schießen kann.“
Die Rückfrage „Ich?“ drückt aus, dass die Person sich für einen starken Menschen hält oder Wert darauf legt, als solcher zu erscheinen, weshalb sie es als eine Zumutung empfindet, dass jemand auch nur in Erwägung zieht, dass ausgerechnet sie Angst haben könnte. Die Subtextbotschaft von „Ich?“ lautet: „Mit dieser Frage kannst du doch nicht wirklich ausgerechnet mich gemeint haben?“ Oder: „Wieso fragst du MICH das? Du weißt doch, dass ich keine Angst habe.“
Gleichzeitig verrät die Person aber im Nachsatz, dass sie sehr wohl vor etwas Angst hat: nämlich vor den Dingen, auf die man „nicht schießen“ kann. Was das wohl sein mag? Gefühle, Freundschaft, Träume, Traumata usw.
Noch ein Beispiel:
„Ich glaube, du betrügst mich schon die ganze Zeit!“
Klartextantwort: „Du bist ein Idiot!“
Subtextantwort: „Glaub doch von mir aus, was du willst.“
Der unausgesprochene Subtext: „Aber wenn du das glaubst, bist du ein Idiot!“
Natürlich gibt es nicht nur inhaltlich gewisse Dinge zu beachten, sondern auch formale. So muss ganz besonders der Dialog lebendig sein. Dazu gehört, dass jede Person ihre unverwechselbare Stimme erhält (dazu in einer späteren Folge mehr). Das muss nicht unbedingt ein Dialekt sein, obwohl der, wo er in die Story passt, ein gutes Mittel ist. Eine Person kann zum Beispiel stottern oder eine besondere Redewendung immer wieder benutzen.
Nehmen wir an, unser literarischer „Christoph“ beginnt jede Widerrede oder jeden ihm unangenehmen Hinweis mit den Worten: „Ich will ja nichts sagen, nee, aber …“ Spätestens nach dem zweiten, höchstens dritten Mal, wo diese Redewendung auftaucht, wissen die Lesenden, dass hier Christoph spricht, weil nur er diese Phrase gebraucht und niemand sonst. Wir müssen also nicht noch „sagte Christoph“ hinzufügen, um den Lesenden das mitzuteilen.
Eine andere Figur beginnt vielleicht jeden Satz mit „Ah ja“ oder etwas anderem, für sie Charakteristischem. Doch sollte man mit diesem Stilmittel sparsam umgehen, denn zu viel des Guten ist auch hier dem Lesevergnügen abträglich. Konkret: Wenn wir jeder Figur eine solche Spezialfloskel geben, kann das die Lesenden sehr schnell verwirren. Beschränken wir dieses Stilmittel deshalb auf höchstens zwei Personen, eventuell drei, wenn der Roman viele Figuren enthält und einige davon außerdem aus unterschiedlichen Kulturkreisen oder Gegenden stammen.
Sehr wichtig ist auch, die soziale Stellung, das Alter und die Herkunft unserer Figuren zu berücksichtigen. Jugendliche sprechen anders als Erwachsene Mitte dreißig, die wiederum ganz anders sprechen als deren achtzigjährige Großmutter. Ein Mitglied der „bildungsfernen Schicht“ drückt sich anders aus als eine Professorin.
„War voll krass, wie der Stilo gestern im Zappelbunker total zugeklinkt abgefiedelt hat.“ So ein Satz stammt eindeutig von Jugendlichen. Und wird wohl auch nur von Gleichaltrigen ohne Wörterbuch verstanden. (Übersetzung: „Es war toll, wie der Langweiler gestern in der Diskothek völlig betrunken getanzt hat.“)
Eine Frau, die ihren Mann mit dem Satz „Krieg ich nu ma endlich von dich geholfen?“ um Hilfe bittet, gehört eindeutig zur bildungsfernen Schicht.
Und Aussagen wie „Auch die temporäre Verschiebung deiner Prioritäten entbindet dich nicht von deinen parentalen Pflichten!“, würden wohl kaum aus dem Mund eines Fabrikarbeiters mit Hauptschulabschluss kommen.
Zwar sind dies besonders krasse Beispiele, aber sie verdeutlichen, worauf es ankommt. Ist das soziale Gefälle oder sind die Unterschiede in der Herkunft unserer Figuren groß, müssen wir das auch in deren Sprechweise zum Ausdruck bringen, sonst verlieren sie an Glaubwürdigkeit.
2. Dialogformatierung: ein Stolperstein für Neulinge
Optisch wird im Text für alle neu hinzukommenden Sprechenden immer eine neue Zeile begonnen, selbst wenn jemand nur ein einziges Wort sagt oder schweigt:
„Die Meyer hat heute Morgen schon wieder ihren Müll in unsere Tonne geworfen. Du solltest ihr das endlich mal verbieten.“
Er antwortete nicht.
„Hast du gehört, was ich gesagt habe, Karl?“
„Hm.“
„Und?“
Er warf ihr einen mürrischen Blick zu. „Nicht jetzt. Ich lese gerade die Zeitung, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest. Also halt die Klappe.“
WICHTIG:
Alles, was im selben Absatz – mit oder ohne Unterfütterung – steht, schreiben die Lesenden derselben Figur zu. Deshalb ist es unerlässlich, immer eine neue Zeile, einen neuen Absatz zu beginnen, sobald jemand anderes zu sprechen beginnt.
Auch wenn eine Figur einen längeren Monolog hält, müssen wir spätestens nach zehn oder zwölf Zeilen (plus/minus) einen Absatz einfügen, sonst wird der Text schwer lesbar. Lassen wir unsere Figur eine Pause einlegen, in der sie ihren Blick schweifen lässt, nachdenklich oder verlegen zu Boden starrt, sich Tee nachschenkt, aufsteht und ans Fenster geht etc., bevor sie weiterspricht. Oder wir unterbrechen den Monolog mit einem kurzen Perspektivwechsel, in dem wir eine andere anwesende Person etwas tun oder denken lassen.
Zeichensetzung in Dialogen
Besteht die wörtliche Rede aus einem vollständigen Satz, so endet sie auf einen Punkt oder Ausrufe- oder Fragezeichen VOR den Ausführungszeichen, sofern nicht noch eine Unterfütterung oder ein Einschub erfolgt, die zum Satz gehören. Folgt eine Ergänzung der wörtlichen Rede à la „fragte sie/wollte er wissen“ oder ähnliches, so gilt dies als Bestandteil des gesamten Satzes inklusive der wörtlichen Rede. In diesem Fall wird auf den Punkt verzichtet, NICHT aber auf Ausrufe- oder Fragezeichen, und hinter den Ausführungszeichen steht ein Komma.
Beispiele:
„Das kostet uns drei Tage Zeit, wenn wir Pech haben“, protestierte Laura.
Oder: „Das kostet uns drei Tage Zeit, wenn wir Pech haben!“, protestierte Laura.
Aber: „Das kostet uns drei Tage Zeit, wenn wir Pech haben.“ Laura blickte Sara aggressiv an.
„Weißt du was Besseres?“, fauchte Sarah.
Aber: „Weißt du was Besseres?“ Sarahs Stimme klang wie das Fauchen einer Katze.
Hinweis zum Gebrauch von Doppelpunkten:
Ein Doppelpunkt vor Beginn einer wörtlichen Rede steht ausschließlich nach Einleitungen wie „er/sie sagte/fragte/antwortete/bemerkte“ sowie artverwandten Begriffen, weil in diesem Fall die folgende wörtliche Rede als Teil des gesamten Satzes definiert wird. Steht vorher ein vollständiger Satz, der mit dem Redebeginn nichts zu tun hat, wird er immer mit einem Punkt (oder Ausrufezeichen bzw. Fragezeichen) abgeschlossen, niemals mit Doppelpunkt. Nur wenn in irgendeiner Form „angekündigt“ wird, dass im nächsten Moment jemand spricht (sagt/e, fragt/e usw.), steht vor der wörtlichen Rede ein Doppelpunkt.
Beispiel:
Sie schüttelte den Kopf. „Und das soll einer kapieren?“
Aber: Sie schüttelte den Kopf und fragte in die Runde: „Und das soll einer kapieren?“
Theoretisch hätte nach dem Kopfschütteln auch Schweigen folgen können oder eine andere Handlung, die nichts mit Sprechen zu tun hat. Deutlich wird der Unterschied, wenn wir die wörtliche Rede „nacherzählen“. Im ersten Beispiel hieße es dann: Sie schüttelte den Kopf. Und das sollte einer kapieren? Im zweiten Beispiel hieße es: Sie schüttelte den Kopf und fragte in die Runde, ob man das kapieren solle. Zwei getrennte Sätze beim ersten Beispiel, ein einziger beim zweiten.
Hinweis zum Gebrauch von Ausrufezeichen
Gerade Neulinge benutzen Ausrufezeichen oft und gern und setzen manchmal gleich drei Stück hintereinander, um zu verdeutlichen, dass jemand brüllt oder etwas mit besonderem Nachdruck sagt. Aber:
- Ein Ausrufezeichen ist in den seltensten Fällen erforderlich, um anzuzeigen, dass jemand die Stimme erhebt. Das können wir mit den Beschreibungen im Text viel besser ausdrücken. „Er hob die Stimme, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.“ Nur wenn wir, z. B. in Actionszenen, Einwortsätzen oder kurzen Sätzen, auf solche Dialogunterfütterungen verzichten (müssen), ist ein Ausrufezeichen angebracht.
- Wenn wir ein Ausrufezeichen benötigen, nehmen wir immer nur ein einziges und niemals mehr. Auch hier gilt, dass wir andere Methoden haben, den Lesenden eine wirklich exzessive Lautstärke anzuzeigen: „Er brüllte so laut, dass die Wände vibrierten.“
Komplett falsch ist das Schreiben von Ausrufe- UND Fragezeichen (oder umgekehrt) am Satzende: „… !?“ Diese Form wird in der Literatur nicht verwendet (auch wenn es etliche Bücher gibt, in denen diese Regel missachtet wurde, aber wir müssen die Fehler anderer nicht wiederholen). Sie ist den Comics und Graphic Novels vorbehalten.
In der nächsten Folge:
Sprachhinweise und Unterfütterungen
In weiteren Folgen:
- Männer reden anders. Frauen auch.
- Dialekte und Fremdsprachigkeit
- Nonverbale Dialoge
- Innerer Monolog, erlebte und indirekte Rede