Mara Laue: Von der Idee zum fertigen Text VSS Verlag

Von der Kunst des Prosaschreibens – Dialoge – eine Kunst für sich

Kluge Hinweise von Mara Laue

5. Nonverbale Dialoge, innerer Monolog, erlebte und indirekte Rede

 

A. Nonverbale Dialoge

Hiermit ist nicht die Unterfütterung der Dialoge mit Handlungen, Gesten und Mimik gemeint, sondern die Kunst, einen Dialog zumindest stellenweise ausschließlich durch Gestik, Mimik, Körpersprache und andere Hilfsmittel auszudrücken. (Gute Beispiele für Letzteres sind unter anderem das Morsealphabet und das Gehörlosenalphabet oder die Flaggensignale auf Flugplätzen und Schiffen.)

Folgende Beispiele sollen das verdeutlichen.

Als Heller einen weiteren Schritt auf Daniel zu kam, starrte der ihm in die Augen und legte die Hand auf den Griff seiner Dienstwaffe.
Verbal:
„Wenn Sie noch einen Schritt machen, Heller, dann schieße ich.“

Er trat einen Schritt auf sie zu und streckte die Hand nach ihr aus. Sie wich zwei Schritte zurück und hob abwehrend die Hände.
Verbal:
Er: „Bitte bleib./Komm her.“
Sie: „Lass mich in Ruhe, geh weg!“

Sie zeigte ihm den Stinkefinger. Er presste die Lippen zusammen. Seine Kiefer mahlten. Heftig stieß er die geballten Fäuste in die Hosentaschen und machte eine gebieterische Kopfbewegung zur Tür hin.
Verbal:
Sie: „Leck mich am Arsch!“
Er: „Du hast mich gerade verletzt! Und wenn ich kein Gentleman wäre, dann würde ich dich dafür verprügeln, um dir genauso weh zu tun, wie du mir wehgetan hast. Verschwinde!“

Sie strich ihm sanft über das Gesicht, ehe sie seine Hand nahm, ihre Finger mit seinen verflocht und sie fest drückte, bevor sie lächelte. Er erwiderte den Druck ihrer Hand, lehnte seine Stirn gegen ihre und lächelte ebenfalls. Anschließend legte er den Arm um sie und ging mit ihr ins Haus.
Verbal:
Sie: „Ich liebe dich. Wir gehören zusammen, und ich werde immer an deiner Seite sein.“
Er: „Ja, wir gehören zusammen. Ich liebe dich auch. Und ich werde dich nicht/niemals verlassen. (Alternativ: Ich will/wünsche mir, dass du für immer bei mir bleibst.)“

(1) Er stellte sich neben sie und blickte sie an. (2) Sie drehte sich im Sessel halb zur Seite und las weiter in ihrem Buch. (3) Er blieb stehen, (4) aber sie ignorierte ihn. (5) Als er ihr die Hand auf die Schulter legte, (6) sprang sie auf, warf das Buch auf den Tisch und ging auf die Terrasse. Die Arme vor der Brust verschränkt, die Schultern hochgezogen, starrte sie auf den Garten. (7) Er ging zu ihr. Doch bevor er etwas sagen oder tun konnte, (8) fuhr sie zu ihm herum – die Hand zum Schlag erhoben, die Zähne wie ein Hund gefletscht. (9) Er hob beide Hände, senkte den Kopf und ging zurück ins Zimmer.
Verbal:
(1) „Ich möchte mit dir reden/dir etwas sagen.“
(2) „Aber ich nicht mit dir./Ich will nichts hören. Geh weg.“
(3) „Aber es ist wichtig.“
(4) „Lass mich in Ruhe.“
(5) „Bitte, es ist wirklich wichtig!“
(6) „Hast du nicht begriffen, dass du mich in Ruhe lassen sollst? Noch mal zum Mitschreiben: Ich will von dir in Ruhe gelassen werden und nichts hören und auch nicht deine Gegenwart ertragen müssen!“
(7) „Verdammt noch mal, es ist aber wichtig!/Gib mir bitte eine Chance!“
(8) „LASS MICH IN RUHE! Muss ich dir eine knallen, damit du das endlich kapierst?“
(9) „Schon gut! Ich hab’s kapiert. Dann gehe ich eben.“
Im Ursprungstext sagen die beiden Personen kein einziges Wort, aber sie kommunizieren trotzdem in einer Art miteinander, dass die Lesenden genau wissen (oder sinngemäß ahnen), was jeder ausdrücken will. Wenn es in Ihre Geschichte, Ihren Roman passt, können Sie solche Szenen einbauen.

Wie wir anhand der Beispiele gesehen haben, ist es nicht immer erforderlich, die Figuren etwas sagen zu lassen, um den Lesenden zu zeigen, was sie denken, fühlen oder „sagen“ wollen. Machen wir in unseren Texten auch von diesem Stilmittel Gebrauch. Und wo es passt, können wir sie gern morsen, sich mit Handzeichen oder anderen Signalen verständigen lassen.

 

B. Innerer Monolog, erlebte und indirekte Rede

INNERER MONOLOG

Obwohl beim Monolog immer nur eine Person spricht (und das meistens über eine recht lange Zeit), gehört er dennoch zu den Dialogen, weil auch der Monolog immer einen/mehrere Zuhörende hat, der/die lediglich während und manchmal auch im Anschluss an die „Rede“ schweigt/schweigen. Das beste Beispiel ist eine Rede, die jemand vor Publikum hält. Von (unschönen) Ausnahmen abgesehen, werden die Vortragenden nicht unterbrochen, aber sie interagieren (auch Zuhören ist eine „Aktion“) mit dem Publikum.

Beim inneren Monolog führen die „Redenden“ ein Selbstgespräch, das sie aber nicht laut aussprechen, sondern nur denken, deshalb „innerer“ Monolog. Ihre Umwelt bekommt davon, im Gegensatz zum Selbstgespräch, nichts mit. Der innere Monolog gibt die Gedanken einer Figur in der Ich-Form wie wörtliche Rede preis, ist aber ohne An- und Ausführungszeichen geschrieben. Oft wird sie, um sie optisch kenntlich zu machen, kursiv gedruckt:
Verdammt, ich hätte ein Taxi nehmen sollen! Aber konnte ich denn ahnen, dass es ausgerechnet jetzt anfängt zu regnen?

Eine weitere Variante ist, das Gedachte in ‚einfache An- und Ausführungszeichen’ zu setzen. Manche Verlage sind aber gegen jede Formatierung von inneren Monologen und lehnen besonders die Kursivschreibung ab. In deren Büchern sieht der innere Monolog wie folgt aus:
Verdammt, ich hätte ein Taxi nehmen sollen!, schalt sich Nico. Aber konnte ich denn ahnen, dass es ausgerechnet jetzt anfängt zu regnen?

Allerdings irritieren solche inneren Monologe die meisten Lesenden auf den ersten Blick, wenn sie nicht durch eine Unterfütterung kenntlich gemacht werden (…, schalt sich Nico), weil sie zunächst wie ein Perspektivbruch plus Tempusbruch wirken. Und jede Irritation reißt die Lesenden aus der Geschichte, weshalb man sie grundsätzlich vermeiden sollte. Formatieren wir unsere inneren Monologe wie wir möchten und streiten wir uns notfalls mit dem Verlag darüber, welche Form die Lesefreundlichste ist. (Allerdings sollten wir bei diesem „Streit“ nicht darauf beharren, dass man es so macht, wie wir das wünschen und nicht anders, sonst könnte es passieren, dass der Verlag nie wieder mit uns zusammenarbeitet. Vertreten wir unseren Standpunkt, aber seien wir kompromissbereit.)

ERLEBTE REDE

Die erlebte Rede ist, genau genommen, ein innerer Monolog, der lediglich wie der Rest der Geschichte in derselben Erzählzeit und Perspektive steht wie diese. Sie gibt die Reflexionen, die Gedankengänge einer Person wieder, ohne dass diese innerlich mit sich selbst spricht:

Verdammt, er hätte ein Taxi nehmen sollen! Aber konnte er denn ahnen, dass es ausgerechnet jetzt anfing zu regnen?

Die meisten modernen Romane sind in erlebter Rede geschrieben, sofern sie nicht die Ich-Perspektive benutzen.

INDIREKTE REDE

Bei der indirekten Rede gibt eine Person innerhalb ihrer eigenen wörtlichen Rede wieder, was eine andere Person gesagt hat. Das kann als wörtliches Zitat geschehen oder als „Nacherzählung“.

Zitat:
Bobby schüttelte den Kopf. „Und dann sagte Nico: Verdammt, ich hätte ein Taxi nehmen sollen! Aber konnte ich denn ahnen, dass es ausgerechnet jetzt anfängt zu regnen?“

Nacherzählung:
Bobby schüttelte den Kopf. „Und dann sagte Nico, verdammt, er hätte besser ein Taxi nehmen sollen. Aber habe er denn ahnen können, dass es ausgerechnet jetzt anfing zu regnen?“

Bei der Nacherzählung stehen die Verben grammatikalisch korrekt im Konjunktiv („habe er ahnen können“). Doch in der wörtlichen Rede, in der diese Nacherzählung steht, darf wie im „richtigen Leben“ auch gesprochen werden, wie den Sprechenden der Schnabel gewachsen ist:

Bobby schüttelte den Kopf. „Und dann sagte Nico, verdammt, er hätte ein Taxi nehmen sollen. Aber hat (hatte/hätte) er denn ahnen können, dass es ausgerechnet jetzt anfing (anfangen würde) zu regnen?“

Wenn wir die indirekte Rede außerhalb von wörtlicher Rede verwenden, sollten wir aber unbedingt auf die korrekte Grammatik achten:
Bobby schüttelte den Kopf und berichtete, Nico habe gesagt, verdammt, er hätte ein Taxi nehmen sollen. Aber habe er denn ahnen können, dass es ausgerechnet jetzt anfinge zu regnen?

Wer sich hinsichtlich der korrekten Grammatik nicht sicher ist, denen reißt niemand den Kopf ab. Für die Korrektur solcher Fehler gibt es das Lektorat bzw. das Korrektorat.

 

In der nächsten Folge:

  • Die Rückblende

In weiteren Folgen:

  • Setting
  • Titelfindung
  • Das Exposé
  • Manuskriptnorm und Verlagsanschreiben

 

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